Peter Biesenbach zur Impfpflicht NRW-Justizminister regt 2G-Regel am Arbeitsplatz an

Exklusiv | Düsseldorf · NRW-Justizminister Peter Biesenbach wirft der Ampelkoalition „Flucht aus der Verantwortung“ vor. Die Impfpflicht zur Gewissensfrage zu machen, sei ein trickreiches Manöver. Zugleich warnt er vor der Radikalisierung der Impfgegner.

 NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) ist seit 2017 im Amt.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) ist seit 2017 im Amt.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Noch vor wenigen Wochen war sie geradezu ein Tabuthema, nun wird die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht immer wahrscheinlicher. Die neue Ampel-Koalition im Bund, die in der nächsten Woche auch offiziell ihre Arbeit aufnehmen will, möchte den Bundestag Anfang 2022 darüber abstimmen lassen. Eine Gewissensentscheidung soll es werden, hat der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt. Die Abgeordneten sollen nicht so abstimmen wie ihre Fraktionen es gern hätten, sondern tief in sich hineinhorchen und selbst entscheiden – über Parteigrenzen hinweg.

Was bei einem derart heiklen Thema auf den ersten Blick plausibel erscheinen mag, kritisiert Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU) scharf. Er wirft der Ampel ein trickreiches, politisches Manöver vor. „Das Gewissen ist die Flucht aus politischer Verantwortung“, sagte er unserer Redaktion. Der Gewissensentscheidung hafte immer „eine gewisse subjektive Beliebigkeit an, für die man sich letztlich nicht mehr rechtfertigen muss“, sagte der Minister. Das sei in der Pandemiebekämpfung „völlig fehl am Platz“. Die Abstimmung über die Impfpflicht zur Gewissensfrage zu machen, sei falsch. „Es dient den politischen Akteuren dazu, Risse in den eigenen Reihen zu vermeiden und sich einer klar identifizierbaren politischen Verantwortung zu entziehen“, sagte Biesenbach.

Eine Frage des Gewissens könne die allgemeine Impfpflicht auch deswegen nicht sein, weil der Gesetzgeber keine andere Wahl habe, als sie einzuführen. Biesenbach, der derzeit Vorsitzender der Justizministerkonferenz ist, verwies auf die in Artikel 2 des Grundgesetzes angelegte Pflicht des Staates, sich schützend vor das Leben der Bürger zu stellen. Wegen dieser Schutzpflicht reduziere sich das weite Ermessen des Gesetzgebers stark. Die Impflücke sei nicht mehr anders zu schließen. „Ich bin nahe dran zu sagen: Der Gesetzgeber ist in Ermangelung anderer effektiver Möglichkeiten nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, eine Impfpflicht einzuführen“, erklärte Biesenbach. Mit Blick auf die besonders schwergewichtigen drohenden Grundrechtsbeeinträchtigungen für die geimpfte Mehrheit der Bevölkerung „verdichtet sich die grundsätzliche Befugnis des Staates, entsprechende Schutzmaßnahmen anzuordnen, immer mehr bis hin zu einer Rechtspflicht“, sagte der Minister. „Ohne allgemeine Impfpflicht wäre ein vollständiger Lockdown künftig wohl verfassungswidrig.“

Um eine fünfte Welle zu verhindern, brauche es die allgemeine Impfpflicht, sagte Biesenbach. Den Eingriff hält er für nicht so schwerwiegend: „Es ist ein kleiner Pieks für den Einzelnen für die große Freiheit aller.“ Er sagte: „Ich möchte die Impfpflicht, bevor wir Zustände wie in Bergamo haben.“

Zudem glaubt der NRW-Justizminister, dass Bußgelder zur Durchsetzung der Pflicht nicht ausreichen werden. Einen Impfzwang dürfe es auf keinen Fall geben, aber: „Allein mit Bußgeldern wird das nicht gehen.“ Deswegen schlägt Biesenbach vor: „Wir müssen über die 2G-Regel am Arbeitsplatz nachdenken.“ Das könnte bedeuten, dass nur noch Geimpfte und Genesene ihrer Arbeit vollständig nachgehen dürfen. Der CDU-Politiker sprach von Konsequenzen für die Lohnfortzahlung und das Arbeitsverhältnis: „Der Einzelne hätte keinen Arbeitsplatz mehr.“ Die 2G-Regel würde bei der Kontrolle der Impfpflicht helfen. „Ohne Impfung gäbe es keinen Zugang mehr zum öffentlichen Leben.“

Zugleich warnte er: „Seit wir die Diskussion über die Impfpflicht führen, haben sich Impfgegner und -verweigerer deutlich radikalisiert.“ In Foren und Chatgruppen werde dazu aufgerufen, in den Widerstand zu gehen und Gewalt anzuwenden. Biesenbach verwies auf Nachrichten, in denen Personen schrieben, dass sie „da oben alle einzeln umbringen“ könnten oder dass „diese ganzen korrupten Politiker am Galgen baumeln müssen“. „Meine Sorge ist groß, dass wir Gewalt erleben werden“, sagte Biesenbach. Er kündigte Konsequenzen für die Verfasser an, die Staatsanwälte seien derzeit verstärkt in den sozialen Medien unterwegs. Die Zentral- und Ansprechstelle für Cybercrime in Köln sei sehr aktiv. „Wir sind da“, sagte er.

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