Nach langen Verhandlungen Koalitionsspitzen einigen sich auf Reform der Grundsteuer

Berlin · Im Streit um die Grundsteuer haben sich die Koalitionsspitzen in der Nacht auf eine gemeinsame Linie verständigt. Die Reform soll noch vor der Sommerpause im Bundestag debattiert werden. Zur Grundrente brachten die Verhandlungen indes keine Einigung.

Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt, Helge Braun, Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Olaf Scholz.

Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt, Helge Braun, Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Olaf Scholz.

Foto: dpa/Gregor Fischer

Die Koalitionsspitzen von Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit auf eine Reform der Grundsteuer geeinigt. Im Koalitionsausschuss sei Einigkeit "in allen substanziellen Fragen" für die zukünftige Erhebung der Grundsteuer erzielt worden, erklärten die Sprecher von CDU und SPD in der Nacht. Details der Einigung wurden zunächst nicht bekannt. Das Gesetz soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden, also vor dem 6. Juli.

Erstmals seit dem Rücktritt von SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hatten die Spitzen von Union und SPD in neuer Zusammensetzung im Koalitionsausschuss getagt. Unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berieten die Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt über den Bundeshaushalt 2020. Nach der letzten Steuerschätzung sind die Spielräume für die Koalitionäre enger geworden.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht die Einigung der Koalitionsspitzen zur Grundsteuer auch die umstrittene Einführung von Öffnungsklauseln für die Länder vor. Dafür hatte sich vor allem die CSU stark gemacht. Die Länder bekämen damit Spielraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten bei der Steuer.

Die Einigung der Koalition beim Thema Grundsteuer wird nach Angaben von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nicht zu einem Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern führen. „Was es allerdings geben kann, ist, dass in den einzeln Ländern noch einmal bei der Grundsteuer geguckt wird, wie wird die ausgelegt“, sagte Klingbeil am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „So was ist ja heute schon über die Hebesätze möglich. Aber das wird nicht zu Lasten des Länderfinanzausgleiches gehen. Das ist für uns als SPD sehr wichtig.“ Manche Länder hatten befürchtet, dass Sonderwege Einzelner Druck auf alle ausüben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Regierung vorgegeben, die Neuregelung der Grundsteuer spätestens bis Ende des Jahres ins Gesetzblatt zu bringen. Es hatte 2017 geurteilt, die bisherige Festlegung der Grundsteuer sei verfassungswidrig. Der Festlegung der Steuer liegen in Ostdeutschland noch Grundstückswerte von 1935 und in Westdeutschland von 1964 zugrunde. Das kann dazu führen, dass Immobilien, die nebeneinander liegen, noch heute völlig unterschiedlich besteuert werden. Nun sollen alle Grundstücke bis zum 1. Januar 2022 neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre.

Finanzminister Olaf Scholz hatte sich in den monatelangen Diskussionen für ein wertabhängiges Modell der Steuer eingesetzt: Wer eine teure Immobilie in gefragter Lage besitzt, sollte seiner Ansicht nach mehr Grundsteuer bezahlen müssen als in peripheren Lagen. Deshalb sollte die Grundsteuer künftig vor allem nach dem Bodenwert und der durchschnittlich erzielten oder fiktiven Miete berechnet werden. Vor allem Immobilienbesitzer in großen Städten könnten dann teils erheblich mehr Grundsteuer zahlen als bisher. Das wollte die Union verhindern.

Vor allem die CSU zog ein reines, wertunabhängiges Flächenmodell vor, bei dem die Steuer fast ausschließlich nach der Größe eines Grundstücks bemessen würde. Die CSU wollte daher eine Öffnungsklausel im Gesetz durchsetzen und jedes Bundesland selbst bestimmen lassen, welche Besteuerungsmethode es künftig anwendet.

In ihren gut sechsstündigen Beratungen einigten sich die Koalitionsspitzen neben dem Kompromiss bei der Grundsteuer auch auf Fahrpläne für weitere wichtige Gesetzesvorhaben. Diese betreffen den Solidaritätszuschlag sowie die Bereiche Wohnen und Klima. Eine Einigung bei der ebenfalls unter den Koalitionspartnern umstrittenen Grundrente gab es nicht.

Das Treffen diente auch zum Kennenlernen, hieß es. Denn nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als Fraktions- und -Parteivorsitzende der SPD ist nun Rolf Mützenich kommissarischer Fraktionschef. Malu Dreyer, Manuela Schwesig sowie Thorsten Schäfer-Gümbel fungieren als Interims-Parteivorsitzende. CSU-Chef Markus Söder nahm wegen eines lange geplanten Urlaubs an dem Treffen nicht teil.

Diese weiteren Themen wurden debattiert

Soli Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatten sich bei ihrer Klausurtagung in der vergangenen Woche bereits darauf verständigt, den Solidaritätszuschlag nun doch nur für 90 Prozent der Solizahler abzuschaffen - wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Die Union wollte ihn zuletzt komplett streichen.

Die Koalition beauftragte nun die Bundesregierung, dem Bundestag bis Ende August einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages für rund 90 Prozent der Soli-Zahler durch eine Freigrenze vorzulegen. Dieser Schritt soll den bisherigen Plänen zufolge ab 2021 greifen. Der Fiskus würde damit auf rund zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten, was etwa der Hälfte des heutigen Aufkommens aus dem Soli entspricht.

Wohnen Für bezahlbares Wohnen will die Koalition bis Ende August ein Paket vorlegen.

Klimaschutz Die Koalition will auf der Grundlage der Ergebnisse des Klimakabinetts in der zweiten Septemberhälfte „ein in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht tragfähiges Gesamtkonzept zur gesetzlichen Umsetzung der Klimaziele bis 2030 vorlegen“.

(zim/juju/dpa/AFP/Reuters)
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