Landtagswahlen Im Land der großen Koalitionen

Berlin · In Sachsen und Brandenburg sind nach den anstehenden Landtagswahlen Bündnisse zwischen CDU und SPD wahrscheinlich. In Deutschland lebt offenbar eine Konsensgesellschaft; politische Grabenkämpfe und Schuldzuweisungen schätzen die Bürger nicht.

 Natürlich ist die große Koalition nicht die SED, aber ein Hauch von Einheitsregierung weht schon durchs schwarz-rote Deutschland — und den Bürgern gefällt es.

Natürlich ist die große Koalition nicht die SED, aber ein Hauch von Einheitsregierung weht schon durchs schwarz-rote Deutschland — und den Bürgern gefällt es.

Foto: Radowski

Entscheidungen über Koalitionen auf Landesebene laufen in Berlin stets wie beim Gesellschaftsspiel "Tabu": Die jeweilige Parteizentrale darf bestimmte Dinge keinesfalls direkt sagen, zum Beispiel ihren Bündniswunsch - das wäre ein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der selbstbewussten Landesfürsten. Daher reden die Parteichefs in Berlin gerne wortreich um ihre Vorstellungen herum.

Doch seit Wochen zeichnet sich ab, dass, wenn weder das rot-grüne noch das schwarz-gelbe Lager bei den kommenden drei Wahlen im Osten gewinnen kann, Berlin große Koalitionen präferieren würde - egal ob Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz.

Dem Wählerwillen würde das wohl weitgehend entsprechen. Was bereits bei der Bundestagswahl 2013 Ausdruck gefunden hat, ist übertragbar auf immer mehr Bundesländer: In Deutschland lebt offenbar eine Konsensgesellschaft; politische Grabenkämpfe und Schuldzuweisungen schätzen die Bürger nicht.

Und selbst innerhalb der Parteien erfreuen sich die Bündnisse mit großen Mehrheiten offenbar einiger Beliebtheit. Nicht umsonst ging das SPD-Mitgliedervotum nach der Bundestagswahl mit knapp 76 Prozent Zustimmung klar zugunsten der aktuellen "Groko" aus. Und nicht umsonst wirbt Martin Dulig, SPD-Spitzenkandidat und auf Außenseiterposition in Sachsen, für ein Bündnis mit der CDU. Die Sachsen-SPD scheint jedenfalls an die große Koalition als Werbemittel zu glauben. Unfrieden dürfte es in der großen Koalition im Bund geben, wenn sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich für die Grünen oder die AfD als Koalitionspartner entscheiden sollte. Beides ist denkbar, beides wäre in Berlin aus jeweils anderen Perspektiven problematisch.

Denn ein erneutes schwarz-grünes Bündnis würde die SPD weiter schwächen und könnte sie zu einer Profilierung auf Kosten der Union ermuntern. Eine Koalition mit der AfD wiederum wäre vor allem für die CDU gefährlich. 85 Prozent ihrer Anhänger hätten für eine Zusammenarbeit mit der Euro-kritischen Partei nichts übrig. Daher hat Parteichefin Angela Merkel schon deutlich gemacht, dass sie ein Bündnis mit der AfD ablehnt.

Käme es trotzdem, könnte eine CDU-AfD-Regierung auf Landesebene die große Koalition in Berlin und auch in anderen Bundesländern in schweres Fahrwasser bringen. Denn es ist davon auszugehen, dass der linke SPD-Flügel grundsätzlich gegen die CDU als Bündnispartner meutern wird, die woanders mit der AfD im Bunde ist. Schließlich wäre das ein Ritterschlag für die Emporkömmlinge, die es bereits in Sachsen zum ersten Mal in ein Landesparlament schaffen könnten.

Umgekehrt verstören rot-rote Bündnisse in den Ländern die CDU-Anhänger in ganz Deutschland. Hinter den Kulissen der CDU auf Bundesebene ist man sich sicher, dass das gemeinsame Regieren mit der SPD in Berlin schwieriger wird, wenn die Sozialdemokraten in Thüringen mit Bodo Ramelow tatsächlich einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen. Auch das wäre ein Präzedenzfall, der zudem bei den Sozialdemokraten für Unruhe sorgen könnte: Die Konservativen in der SPD fürchten einen Sympathieträger am linken Rand, der Zuspruch für die Linkspartei sammeln könnte. Und der linke SPD-Flügel wäre einer Zerreißprobe ausgesetzt, müsste er doch die Partei in seine Richtung ziehen, um der Linkspartei keinen Raum zu lassen.

Gleichzeitig nimmt es die CDU gelassen, dass Brandenburg derzeit rot-rot regiert wird. Dort ist mit Dietmar Woidke ein bürgerlicher SPD-Mann Ministerpräsident. Die Wahrscheinlichkeit, dass Woidke bei der Wahl in zwei Wochen abermals gewinnt, ist sehr hoch. Und Woidke selbst ist der Linken eher überdrüssig. Gut möglich, dass er den Koalitionspartner wechselt und ein Bündnis mit der CDU eingeht.

Das wäre dann der nächste Fall eines großen Bündnisses. Für den Bundesrat bedeutet das: Im Extremfall, wenn also auch die große Koalition in Thüringen entgegen allen Wahrscheinlichkeiten an der Macht bliebe, hätten Grüne und Linke kaum noch Durchsetzungskraft in der Länderkammer.

(jd / qua)
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