Peer Steinbrück "Ich möchte nicht nur Großvater sein"

Berlin · Was macht eigentlich Peer Steinbrück? Der Ex-Kanzlerkandidat der SPD in einem Porträt, das er selbst für überflüssig hält.

Das ist Peer Steinbrück
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Muss das sein? Die gefühlt 200 000. Geschichte über mich? Peer Steinbrück war vor wenigen Wochen alles andere als begeistert von der Idee, dass dieser Artikel erscheinen soll. Bei einem Treffen einige Tage später in seinem Berliner Büro war er es zwar immer noch nicht so richtig. Aber immerhin hatte der Mann ja im Herbst Bundeskanzler werden wollen. Und rund elf Millionen Bürger gaben der SPD dafür ihre Zweitstimme. Viele werden sich also fragen: Was macht eigentlich Peer Steinbrück?

Nichts, das wäre ein Teil der vielschichtigen Antwort. Zumindest bekleidet er kein für die Tagespolitik relevantes Amt mehr. "Ich habe gesagt, dass ich mich nach der Niederlage zurückziehen werde und keine Funktion in der Regierung, in der Partei oder in der Fraktion übernehmen möchte", sagt Steinbrück.

Er sitzt auf einem schwarzen Ledersofa in seinem Büro, die Beine übergeschlagen, den linken Arm auf der Rückenlehne. Unter dem dunklen Anzug trägt er ein weißes Hemd, keine Krawatte. Steinbrück wirkt entspannt, er hat jetzt wieder Kontrolle über seinen Terminkalender und genießt das. Den Rückzug verteidigt er. "Das war eine völlig richtige Entscheidung. Ich glaube, dass man nach einer solchen Niederlage Konsequenzen ziehen muss."

Am Abend des 22. September 2013 wurde für Steinbrück bittere Gewissheit, was ihm zuvor wohl ohnehin schon gedämmert hatte: Er verlor haushoch gegen Angela Merkel, die mit der CDU fast noch die absolute Mehrheit im Bundestag holte. Und obwohl die SPD im Vergleich zu dem desaströsen Ergebnis von 2009 zulegen konnte, war dies weniger ein Verdienst Steinbrücks. Vielmehr war der Zugewinn von 23 auf 25,7 Prozent Wählerwanderungen geschuldet, die dann auch zum historischen Ausscheiden der FDP aus dem Parlament führten.

Nun mag sich Steinbrück zwar aus der Tagespolitik raushalten, sein Programm als Bundestagsabgeordneter aber sei trotzdem noch "intensiv", sagt er. Das liegt daran, dass er weiterhin viele Reden hält, Talkshows besucht, als Gast auf Podien spricht. Mit Blick auf die einstige Debatte um seine Nebeneinkünfte sagt Steinbrück heute in typischer Manier: "Ich werde in Zukunft auch Vorträge halten, deren Honorare ich teils spende und teils für mich behalte. Ich habe keine Lust, mich dafür zu rechtfertigen."

Sein Programm ist aber auch deswegen intensiv, weil der 67-Jährige nun ein "Elder Statesman" wider Willen ist. Er mag den Titel nicht, für Weggefährten und politische Gegner gleichermaßen ist er das aber. Und so gelangte er wohl auch zu einem Amt, um das er sich nie beworben hätte: Als neuer Chef der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe pflegt er den Austausch mit US-Abgeordneten. Steinbrück passt ins Profil: Er ist bestens vernetzt, hat keine Scheu vor klaren Worten und ist spätestens seit seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister für Amerikaner kein Niemand mehr. "Ich wurde gefragt, auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese transatlantische Beziehung Impulse braucht. Das bewahrheitet sich besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Ukraine-Krise", sagt Steinbrück.

Ein Aspekt für sein neues Buch? "Vertagte Zukunft" lautet der Arbeitstitel. Im Verlag Hoffmann & Campe wird es voraussichtlich Anfang 2015 erscheinen. Steinbrück ist jetzt also auch wieder Autor, zieht sich zum Schreiben gerne in seine Berliner Wohnung zurück, nimmt sich tagelang frei, fährt dann nur selten zu seiner Frau nach Bonn. Ein paar Exemplare des Vorgängerwerkes "Unterm Strich" stehen im Bücherregal neben dem Ledersofa in seinem Büro. 150 000 Stück wurden davon verkauft, mit dem neuen Buch will er inhaltlich anknüpfen. Es soll keine reine Abrechnung mit den Medien werden, denen Steinbrück schon immer kritisch gegenüberstand. Vielmehr verfolgt ihn der Verdacht, das in der Republik herrschende Bedürfnis nach Ruhe werde eher früher als später mit Herausforderungen kollidieren, die das Land in Angriff nehmen müsse.

Peer Steinbrück wird immer politisch bleiben, süchtig danach meint der Gelegenheitsraucher aber ebenso wenig zu sein wie nach Zigaretten. "Ich war immer froh, dass ich privat viele Dinge neben der Politik hatte, die mich fesseln", sagt er. Reisen etwa. Erzählt er von seinem Enkelkind, gerät er ins Schwärmen.

In Berlin wird unterdessen gemunkelt, 2015 werde er das Bundestagsmandat abgeben. Steinbrück will sich nicht festlegen, klingt glaubwürdig, wenn er sagt: "Politik allein ist nicht mein Leben. Es besteht aus einem Ensemble. Genauso, wie ich mein restliches Leben nicht nur, aber auch Großvater sein möchte."

(jd)
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