Bundeswirtschaftsminister Rösler "Ich führe, wie ich es für richtig halte"

Berlin (RP). Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzender Philipp Rösler spricht im Interview mit unserer Redaktion über den in der Kritik stehenden Außenminister Guido Westerwelle, die Schuldenkrise in der Euro-Zone und mögliche Übereinstimmungen der FDP mit den Gewerkschaften.

Mai 2011: Röslers umjubelter Auftritt als neuer FDP-Chef
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Die Kritik an der Libyen-Politik Ihres Außenministers Guido Westerwelle ist groß. War die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat falsch?

Rösler Die gesamte Bundesregierung hatte damals eine schwierige Abwägung vorzunehmen. Grundsätzlich wird es auch künftig keine Zwangsläufigkeit militärischen Intervenierens Deutschlands geben, wohl aber immer sehr gewissenhafte Entscheidungen vor dem Hintergrund jeweils aktueller Beurteilungen der Lage, des Ziels und der Fähigkeiten. Die Geschehnisse und die aktuelle Situation in Libyen verlangen zunächst eine gründliche Analyse.

Wir freuen uns jetzt vor allem, dass sich das libysche Volk selbst befreit hat. Und wir Liberale empfinden große Achtung und Dankbarkeit für das aktive Einschreiten der Verbündeten gegen die Mordtruppen des Gaddafi-Regimes. Ich sage sehr bewusst: Niemand sollte dem Trugschluss unterliegen, unsere Treue zum westlichen Bündnis stünde infrage. Wir bekennen uns gerade auch im Bewusstsein unserer eigenen Geschichte ohne Einschränkung zu unseren Bündnisverpflichtungen. Wir beweisen es mit dem verstärkten, auch die Partner entlastenden Bundeswehr-Engagement in Afghanistan.

Was für einen Eindruck macht es, wenn der Außenminister den Sieg der Rebellen vor allem auf deutsche Sanktionen zurückführt und nicht auf die Leistung der Alliierten?

Rösler Den Dank an die Verbündeten habe ich im Namen aller Liberalen ausgesprochen. Die internationalen Sanktionen haben sicherlich auch dazu beigetragen, die Handlungsspielräume des Gaddafi-Regimes einzuengen. Aber jetzt geht es um die künftigen Aufgaben. Wir können helfen, demokratische und wirtschaftliche Strukturen in Libyen aufzubauen.

Es gibt in der FDP Rücktrittsforderungen für Westerwelle. Was sagen Sie?

Rösler Es war meine wohlüberlegte Entscheidung, uns mit diesem Team in der Bundesregierung zu bewähren; das gilt auch für den Bundesaußenminister.

Manche unterstellen Ihnen, nicht mutig genug gewesen zu sein, um Westerwelle auch das Amt des Außenministers zu nehmen.

Rösler Wer?

Stimmt es denn?

Rösler Ich führe die Partei so, wie ich es für richtig halte. Gerade jetzt haben wir ein gutes Führungsteam — und zwar in der Partei, in der Regierung und in der Fraktion.

Sind die Koalitionsfraktionen im Bundestag bei der Euro-Rettung ein Abnickverein?

Rösler Die FDP-Fraktion legt zu Recht Wert darauf: Der Haushalt ist das wichtigste Parlamentsrecht. Das ist ein demokratisches Grundprinzip. Deshalb muss bei der Ausgestaltung des Rettungsschirms EFSF sichergestellt sein, dass der Bundestag bei allen wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat.

Soll der Rettungsschirm EFSF bald Staatsanleihen von überschuldeten Ländern mit Steuergeld aufkaufen?

Rösler Beim Euro-Gipfel ist festgelegt worden, dass dies nur in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen erlaubt ist. Alles andere wäre für die FDP auch nicht akzeptabel gewesen. Der Kauf von Staatsanleihen darf nicht beliebig erfolgen. Es reicht zum Beispiel nicht, dass in einem Land die Zinsen zu hoch sind. Nur wenn eine Ansteckungsgefahr für andere Länder besteht, darf der EFSF handeln. Es gibt weitere Schranken, etwa die Notwendigkeit eines einstimmigen Beschlusses. Deutschland hat also ein Vetorecht.

Wird die FDP-Fraktion den Gipfelbeschlüssen vom 21. Juli zustimmen?

Rösler Ich halte die Beschlüsse für notwendig, um den Euro kurzfristig zu stabilisieren. Zugleich haben wir auch Maßnahmen auf den Weg gebracht, um eine neue Stabilitätskultur in Europa zu etablieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Koalition im Bundestag zustimmt.

Warum ist der Euro wichtig für uns?

Rösler Für Deutschland ist der Euro überlebenswichtig, weil wir als Exportnation besonders von der gemeinsamen Währung profitieren. 60 Prozent unserer Exporte gehen in die Partnerstaaten der EU, davon 40 Prozent in die Euro-Zone. Die Finanzkrise 2008/2009 haben wir auch wegen des starken Exports so schnell überwunden. Mit der D-Mark und nationalstaatlichen Währungen in Europa wäre uns das in dieser Form nicht gelungen.

Wäre die Rückkehr zur D-Mark am Ende nicht doch billiger?

Rösler Die Frage stellt sich nicht. Jetzt geht es darum, die Euro-Zone zu stabilisieren. Die FDP wird sich dafür einsetzen, dass Deutschland eine Führungsrolle übernimmt in Richtung europäische Stabilitätsunion. Wir brauchen einen Stabilitätspakt II. Neben der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten, die ohne automatische Sanktionsmechanismen nicht funktionieren wird, brauchen wir Schuldenbremsen in den Verfassungen. Bei der konkreten Ausgestaltung des permanenten Rettungsschirms ESM müssen wir noch weiter gehen als bisher.

Warum sind Sie gegen Eurobonds?

Rösler Eurobonds sind der falsche Weg, denn gemeinsame Anleihen schaffen keine Anreize für überschuldete Staaten, eine solide Haushaltspolitik umzusetzen. Zugleich würden wirtschaftlich starke Staaten wie Deutschland bestraft, weil wir die Risiken anderer Staaten übernehmen müssten. Die Zinsen in Deutschland würden steigen. Deshalb sind Eurobonds mit der FDP nicht zu machen. Es darf nicht dazu kommen, dass der deutsche Steuerzahler für die verfehlte Haushalts- und Wirtschaftspolitik anderer Staaten aufkommen muss.

Deutschland gehen die Fachkräfte aus. Was kann der Bundeswirtschaftsminister dagegen tun?

Rösler Die Sicherung der Fachkräfte ist eine zentrale politische Herausforderung. Es gibt verschiedene Punkte, an denen wir ansetzen müssen. Beispiele sind die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Förderung von Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern in Deutschland. Wir müssen aber auch die Zuwanderung qualifizierter Kräfte erleichtern. Auch die Bundesagentur für Arbeit kann helfen, indem sie den Blick stärker auf andere EU-Staaten wie Spanien richtet, um dort Fachkräfte anzuwerben. Bisher handelt die Bundesagentur nur im Einzelfall — wenn speziell für eine freie Stelle eine Fachkraft im Ausland gesucht wird. Künftig sollte dies auch ohne Voraussetzungen möglich sein. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Spanien kann ich mir vorstellen, dass wir hier auch kurzfristig Erfolge erzielen.

Das Verhältnis der Gewerkschaften zur FDP ist nicht das Beste. Was tun Sie zur Klimaverbesserung?

Rösler Das Verhältnis war in der Vergangenheit nicht immer spannungsfrei. Das will ich ändern. Die Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft, auch wenn wir in vielen Fragen nicht immer einer Meinung sind. Ich bin gerne bereit, den Dialog mit den Gewerkschaften aufzunehmen. Das bietet auch die Chance, das gegenseitige Verständnis zu stärken.

Worüber wollen Sie mit den Gewerkschaften sprechen?

Rösler Da gibt es viele Themen, zum Beispiel die Mitarbeiterbeteiligung an den Betrieben. Wenn Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt sind, stärkt das die Bindung zwischen Beschäftigten und Unternehmen, aber auch die Leistungsbereitschaft. Das Bundeswirtschaftsministerium wird sich intensiv mit der Frage beschäftigen, wie die Mitarbeiterbeteiligung durch neue Modelle attraktiver gestaltet werden kann.

(RP)
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