DGB-Studie Hunderttausende Hartz-IV-Empfänger haben ein Suchtproblem

Düsseldorf · Mindestens zwei Millionen Menschen in Hartz IV haben Schulden- und Suchtprobleme oder kommen wegen psychischer Schwierigkeiten mit ihrer Umwelt nicht zurecht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wirft den Kommunen vor, die meisten Betroffenen damit allein zu lassen.

Vorurteile über Hartz-IV-Empfänger
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Foto: dpa, Hendrik Schmidt

In Deutschland gelten im Mai 2014 etwas mehr als vier Millionen Menschen als erwerbsfähige Bezieher von Hartz-IV-Leistungen. Ein Großteil von ihnen hat offenkundig bis heute mit massiven gesundheitlichen oder finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen.

So geht der DGB, der sich auf Daten des Arbeitsministeriums beruft, für das Jahr 2012 von mehr als zwei Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern mit Schuldenproblemen und/oder Suchtproblemen aus. Die meisten werden von den Kommunen aber damit allein gelassen, so der DGB. Die Zahlen aus dem Jahr 2012 haben auch für die Gegenwart Aussagekraft, hat sich die Gesamtstatistik kaum verändert.

Die Erhebungen im Einzelnen:

Schulden Gut 1,1 Millionen Bezieher haben Schuldenprobleme. Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden jedoch nur 32.500 durch die Kommunen entsprechend beraten.

Sucht Der DGB schätzt, dass es in Deutschland etwa 450.000 Hilfebedürftige mit Suchtproblemen gibt. Laut Statistik erhalten lediglich 9000 eine Beratung.

Psychosoziale Probleme Von 900.000 Betroffenen mit psychosozialen Schwierigkeiten wie beispielsweise Angststörungen oder Depressionen wurden laut DGB-Studie nur für 20.000 Personen kommunale Hilfen gemeldet.

Anteilig ist damit mehr als die Hälfte der Hartz-IV-Bezieher betroffen. "Der Forschungsbericht geht von 25 Prozent erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Schuldenproblemen, 10 Prozent mit Suchtproblemen und 20 Prozent mit Bedarf an psychosozialer Betreuung aus", heißt es.

"Die Defizite im Hartz-IV-System bestehen vor allem darin, dass das Fordern sehr groß geschrieben wird, aber das Fördern zum Teil viel zu kurz kommt", kritisiert nun der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy in der Saarbrücker Zeitung. Ohne soziale Stabilisierung könnten die Betroffenen nicht nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Der DGB zeigt sich insbesondere deswegen verärgert, weil sich mit der Einführung von Hartz IV eigentlich die Lage genau dieser Hilfsbedürftigen verbessern sollte. "Eine zentrale Idee war die Bündelung der kommunalen Erfahrungen aus der ehemaligen Sozialhilfe mit den arbeitsmarktlichen Kompetenzen der Arbeitsagenturen", heißt es in dem DGB-Papier, das unserer Redaktion vorliegt. Die in Aussicht gestellte Hilfe aus einer Hand erweise sich aber nun als leeres Versprechen.

Zudem fehle es an verbindlichen Standards, mit denen kommunale Hilfsleistungen überprüfbar gemacht werden könnten. Derzeit gebe es bundesweit keinerlei Transparenz.

Der DGB fordert daher Änderungen am geltenden System: Dazu zählt unter anderem ein Rechtsanspruch auf sozialintegrative Leistungen, eine Nachweispflicht für Kommunen und Hilfestellungen aus einer Hand, gebündelt in den jeweiligen Jobcentern.

(pst)
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