Innenminister Seehofer im Bundestag "Mit Anschlägen muss auch bei uns jederzeit gerechnet werden"

Berlin · Verfassungsschutz und Bundesregierung haben nach den jüngsten islamistischen Terroranschlägen in Europa auf die Gefahren für Deutschland hingewiesen. Der Innenminister sprach von einer „ungeheuren Bedrohung“ durch islamistischen Terror.

 Horst Seehofer hält  im Bundestags seine Rede.

Horst Seehofer hält im Bundestags seine Rede.

Foto: dpa/Fabian Sommer

"Mit Anschlägen muss auch bei uns jederzeit gerechnet werden", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag im Bundestag. Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang warnte vor Nachahmungstätern. Parteiübergreifend wurde an die Gesellschaft appelliert, sich nicht spalten zu lassen.

Anfang Oktober waren in Dresden zwei Touristen mit einem Messer angegriffen worden; einer von ihnen starb. Tatverdächtig ist ein Mann, der als islamistischer Gefährder eingestuft ist. Zudem hatte es in den vergangenen Wochen mehrere islamistische Anschläge in Frankreich gegeben. In Österreichs Hauptstadt Wien tötete ein Mann aus offenbar islamistischen Motiven am Montagabend vier Menschen.

Die jüngsten Anschläge "haben uns erneut vor Augen geführt, welch ungeheure Bedrohung der islamistische Terror für uns nach wie vor darstellt", sagte Seehofer in einer Aktuellen Stunde des Bundestages. Die Gefährdungslage sei hoch. "Wir haben die Pflicht, alles zu tun, um die Gesundheit und das Leben unserer Bevölkerung zu schützen."

Seehofer betonte, der Kampf gegen den Terrorismus richte sich "nicht gegen den Islam, sondern gegen fanatischen und gewalttätigen Extremismus". Er warnte zugleich davor, nach Anschlägen immer gleich nach neuen gesetzlichen Regelungen zu rufen. Das Wichtigste sei, die vorhandenen Befugnisse der Sicherheitsbehörden und geltendes Recht "konsequent" anzuwenden.

Haldenwang sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, die Sicherheitsbehörden in Deutschland müssten derzeit "sehr wachsam sein und einen sehr scharfen Blick auf die uns bekannten Gefährder werfen". Es gebe sicherlich den einen oder anderen, der über Nachahmungstaten nachdenke.

Der Verfassungsschutz traut den Angaben zufolge 2060 Anhängern der islamistischen Szene in Deutschland die Beteiligung an einem Terroranschlag zu. Darin enthalten sind aktuell rund 620 Gefährder.

Seehofer sprach von 617 Gefährdern, von denen gut die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Deswegen greife die Forderung nach mehr Abschiebungen, wie sie etwa in der Bundestagsdebatte AfD-Chef Tino Chrupalla erhob, viel zu kurz.

In der Aktuellen Stunde forderten viele Redner ein Zusammenstehen der Gesellschaft gegen Terrorismus und Extremismus. Es sei "die Logik des Terrors", Menschen einzuschüchtern, sagte der Chef der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD). "Dieser Logik müssen wir uns gemeinsam entgegen stellen."

Maier zeigte sich zudem besorgt darüber, dass sowohl der Angreifer in Dresden als auch der in Wien als gefährlich bekannt waren und trotzdem die Anschläge nicht verhindert werden konnten. Er kündigte an, diese Problematik auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz zu setzen.

Der FDP-Politiker Stephan Thomae forderte zur Bekämpfung des Islamismus einen "Dreiklang" aus Prävention, Reaktion etwa in Form konsequenter Rechtssprechung und enger Kooperation der Sicherheitsbehörden. Die jüngsten Vorfälle zeigten, "dass die Bedrohungslage durch den fanatischen Islamismus nicht abgenommen hat".

Die Linksfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali warnte vor Vorurteilen. Es sei "unverantwortlich", wenn im Nachgang von Anschlägen ein "Generalverdacht gegen Muslime" verbreitet werde, sagte sie auch an die Adresse der AfD gerichtet. "Erklärtes Ziel" der Terroristen sei es, die Gesellschaft zu spalten. "Genau das dürfen wir alle gemeinsam nicht zulassen."

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz warnte ebenfalls vor "ach so einfachen Parolen" und "zum Teil rassistischen Antworten" auf den Terror. Diese führten zu nichts. Neben einem Zusammenstehen der Gesellschaft forderte er, die Sicherheitsbehörden besser auszustatten und untereinander stärker zu vernetzen.

cne/jp

(felt/AFP)
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