Fragen und Antworten Was man zu Seehofers neuem Abschiebe-Gesetz wissen muss

Berlin · Union und SPD droht der nächste große Koalitionsstreit: Mit seinem Gesetz für schärfere Regeln bei Abschiebungen schießt der Minister aus Sicht der SPD komplett übers Ziel hinaus. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 Innenminister Horst Seehofer (CSU) will für eine effizientere Abschiebung von Flüchtlingen schärfere gesetzliche Regelungen schaffen.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) will für eine effizientere Abschiebung von Flüchtlingen schärfere gesetzliche Regelungen schaffen.

Foto: dpa/Marc Müller

In der Regierung ist es in Mode gekommen, Gesetzen nicht mehr einen sperrigen Titel in Verwaltungsdeutsch zu geben, sondern sie vielmehr nach ihrem gewünscht Effekt zu benennen. So folgt auf das Gute-Kita-Gesetz aus dem Familienministerium nun der Entwurf für das Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Ehrlicher wäre es gewesen, dem Gesetz den Titel Abschiebungen-mit-allen-Mitteln-Gesetz zu geben. Es stammt aus dem Ressort von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der seinen Entwurf nun im Rahmen der Ressortabstimmung seinen Ministerkollegen zugeleitet hat.

Wo liegen die Probleme bei der Abschiebung von Ausreisepflichtigen?

Ende 2018 lebten 236.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland. 180.000 von ihnen haben eine Duldung. Der übergroße Teil von ihnen verfügt über keine Passpapiere und kann deshalb nicht abgeschoben werden. Wenn Ersatzpapiere beschafft wurden und der Abschiebetermin näher rückt, tauchen die Betroffenen oft unter. Als besondere Herausforderung sieht das Innenministerium Straftäter und Gefährder, die nicht abgeschoben werden können, weil - wie beispielsweise in Syrien - in ihrem Heimatland ihr Leben bedroht ist.

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Wie konsequent wird bisher abgeschoben?

Im vergangenen Jahr wurden aus Deutschland 26.000 Menschen in ihre Heimatländer abgeschoben. 31.000 Rückführungen scheiterten. Beim Großteil der nicht durchführbaren Abschiebungen waren die Betroffenen wenige Tage zuvor abgetaucht.

Wo setzt Seehofer die Hebel an?

Der Innenminister will die rechtliche Schwelle absenken, um Ausreisepflichtige in Haft oder in Gewahrsam nehmen zu können. Allerdings gibt es deutschlandweit nur 479 Abschiebehaftplätze. Seehofer will die ausreisepflichtigen Menschen - getrennt von Strafgefangenen - auch in normalen Gefängnissen inhaftieren. Der Punkt ist heikel - bisher herrscht aus gutem Grund ein Trennungsgebot von Abschiebe- und Strafgefangenen. Der CSU-Politiker will zudem künftig jene rechtlich belangen, die Flüchtlinge vor einer bevorstehenden Abschiebung warnen. Pro Asyl kritisiert das Vorhaben als „unhaltbar“. Damit würden Flüchtlingshelfer in Deutschland eingeschüchtert und kriminalisiert.

Was ändert sich noch für Ausreisepflichtige?

Seehofer möchte künftig zwischen jenen unterscheiden, die aus eigenem Verschulden nicht ausreisen können, weil sie ihre Identität verschleiern und Termine bei den Behörden verstreichen lassen, und jenen, bei denen humanitäre Gründe vorliegen. Wer sich seiner Ausreise entzieht, soll künftig einen Status unterhalb der Duldung erhalten, damit er keinesfalls ein dauerhaftes Bleiberecht erlangen kann. Dieser Gruppe sollen künftig auch Leistungen gekürzt werden können. Für Straftäter soll der Ausreiseschutz abgesenkt werden. Welche Grenzen dabei überschritten werden, ist unklar. Denn in dieser Frage geht der Rechtsstaat bereits an seine Grenze. Schon heute werden Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, während man bei unbescholtenen Flüchtlingen weitgehend darauf verzichtet.

Wird Seehofer sein Gesetz durchsetzen können?

In der Zielsetzung entspricht der Gesetzentwurf dem Koalitionsvertrag. Darin heißt es zum Beispiel, dass Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam „praktikabler“ gestaltet werden sollten. Auch die Sanktionierung von Flüchtlingen, die ihre Ausreise hintertreiben, steht im Koalitionsvertrag. In seiner Konsequenz ist Seehofer über die Vorgaben allerdings hinausgeschossen. Auch die Einigung von Union und SPD, wonach eine freiwillige Rückkehr Vorrang haben müsse, lässt Seehofers Gesetzentwurf vermissen. Dementsprechend reagierte die SPD schon ablehnend auf das neue Regelwerk. Die Grünen riefen gar die SPD auf, das komplette Gesetz zu verhindern.

Ist das Argument richtig, dass man erst einmal die bestehenden Regelungen durchsetzen sollte, bevor man die Gesetze erneut verschärft?

Bei den Abschiebungen ist die Lage kompliziert. Im Fall der vielen Flüchtlinge vom Balkan, die kein Bleiberecht haben, gelingt es dem Staat inzwischen sehr gut, die Rückführungen zu organisieren. Bei Flüchtlingen aus afrikanischen und arabischen Ländern ist die Lage oft komplizierter und der Widerstand gegen eine Rückführung auch aus Angst, was sie in der Heimat erwartet, deutlich größer. Mit ihren bisherigen Befugnissen sind Polizei und Verwaltung tatsächlich oft machtlos, wenn sich jemand konsequent einer Abschiebung entzieht. Insbesondere für jene Flüchtlinge, die straffällig geworden sind, braucht der Staat mehr Durchgriffsrechte.

(qua)
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