Horst Seehofer „2015 darf und wird sich nicht wiederholen“

Berlin · Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten von Bundesinnenminister Horst Seehofer daran, zügig weitere Migranten aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen. Einen Alleingang Deutschlands lehnt er aber ab.

 Innenminister Horst Seehofer.

Innenminister Horst Seehofer.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Jetzt, da das Flüchtlingslager Moria im Feuer verglüht ist, hat Margaritis Schinas einen Plan. Er baut für eine künftige europäische Flüchtlingspolitik ein „Haus mit drei Etagen“ und auf dem griechischen Boden der Tatsachen auch noch ein neues, ein modernes Flüchtlingszentrum dazu. Gleich ist Schinas, Vize-Präsident der EU-Kommission, mit Horst Seehofer verbunden. Tags zuvor war der Grieche noch selbst auf Lesbos. Seine Erkenntnis ist unmissverständlich: „Moria gibt es nicht mehr.“

Der Bundesinnenminister in Berlin nickt dem EU-Kommissar in Athen via Bildschirm zu. Seehofers Ministerium hat am Tag zuvor von den griechischen Behörden eine „Bedarfsliste“ erhalten, womit Deutschland sehr schnell den obdachlos gewordenen Flüchtlingen helfen kann: Zelte, Schlafsäcke, Matratzen, chemische Toiletten, Duschcontainer. Ein Transport des Technischen Hilfswerkes ist bereits unterwegs nach Griechenland.

Ob die Bundesregierung zur Hilfe für Menschen in Not auch einen Alleingang in Europa riskiert, wie es auch Unionsabgeordnete „notfalls“ von Seehofer gefordert haben? Der CSU-Politiker lehnt das ab: „Wenn Deutschland alleine handeln würde, dann können Sie eine europäische Lösung zu den Akten legen.“ Nun gut, von den Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, die keine oder kaum Flüchtlinge aufnehmen, sei auch jetzt kaum Hilfe zu erwarten, so Seehofer. Aber Deutschland soll sich für diese „Herkulesarbeit“ einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik mit jenen EU-Staaten zusammenschließen, „die mitmachen wollen“. Insgesamt seien es zehn Staaten – Deutschland inklusive.

„Wir haben uns ja alle vorgenommen, dass sich das Jahr 2015 nicht wiederholen darf und sich auch nicht wiederholen wird“, sagt Seehofer. Erst einmal will der Minister von 400 unbegleiteten Minderjährigen, die mittlerweile von Lesbos auf das griechische Festland geflogen wurden, etwa 100 bis 150 Kinder und Jugendliche aufnehmen. Zur Aufnahme von weiteren bis zu 150 jungen Migranten sei Frankreich bereit. Der Rest soll auf EU-Staaten verteilt werden, die „mitmachen wollen“.

EU-Kommissar Schinas will dann erst einmal sein dreistöckiges Haus für eine gemeinsame Flüchtlingspolitik bauen. Der „liebe Horst“ bekommt auch gleich den Bauplan. Etage eins: Abkommen mit den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlinge, damit diese ihre Bürger oder Durchreisende möglichst bei sich halten. Etage zwei: ein „robustes System“ für den Schutz der EU-Außengrenzen und für eine europäische Küstenwache, die deutlich mehr Personal und mehr Boote bekommen soll. Etage drei: dauerhaft „wirksame Solidarität“ in der EU, was bedeutet, dass möglichst viele EU-Staaten mit im Boot sitzen sollen, wenn Schlepperkriminalität eingedämmt und Flüchtlinge besser verteilt werden sollen.

Auch im Bundestag ist der Brand in Moria am Freitag auf Antrag der Linke-Fraktion Thema. Die fordert, Lager auf griechischen Inseln aufzulösen und Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch betont: „Moria war ein einziges Elend.“ In einem Lager, das für 2800 Menschen ausgelegt gewesen sei, habe man fast 13.000 Personen eingepfercht, ohne jede Hygiene. Kinder hätten dort versucht, sich umzubringen. Auch NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) betont in der Debatte: „Die Lage auf Lesbos ist beschämend. Und das war sie schon vor dem Brand.“

Der Bundesinnenminister erwidert, man habe bereits vor Monaten zunächst rund 50 unbegleitete Minderjährige und danach nochmals rund 250 Kinder, die medizinisch behandelt werden müssten, plus deren Familien aufgenommen – insgesamt rund 1000 Personen. Jetzt helfe Deutschland nochmals 100 bis 150 Jugendlichen aus Moria. Für Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt steht fest: „Das ist noch nicht einmal eine Geste.“

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