Zapfenstreich für den Ex-Präsidenten Horst Köhler wünscht sich einen Blues

Düsseldorf (RPO). Letzter Akt im Köhler-Drama: An diesem Abend wird der so überraschend zurückgetretene Präsident feierlich mit einem großen Zapfenstreich aus dem Amt verabschiedet. Was zunächst wie ein Spießrutenlauf für den heftig gescholtenen Köhler anmutet, geht auf dessen eigenen Wunsch zurück. Erneut schießen Spekulationen über seine Motive ins Kraut.

 Bereits am Vormittag nahmen Horst Köhler und seine Frau Louise Abschied von den Mitarbeitern in Schloss Bellevue.

Bereits am Vormittag nahmen Horst Köhler und seine Frau Louise Abschied von den Mitarbeitern in Schloss Bellevue.

Foto: ddp, ddp

Die höchsten Würdenträger des Staates werden mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet, dem höchsten Zeremoniell der Bundeswehr. Es ist so Usus in Deutschland. Auch, wenn einer mit seinem Rücktritt die gesamte Republik überrascht und der Regierung einen weiteren Krisenherd eingebrockt hat.

An diesem Abend treten Musikkorps, zwei Züge Soldaten unter Gewehr sowie die Fackelträger zu Ehren von Horst Köhler an. Zum letzten Akt seines plötzlichen Ausstiegs aus der Politik hat er sich unter anderem den St. Louis Blues von William Handy gewünscht.

Köhler lässt Spitzenpolitiker antreten

Und nicht nur das. Auch auf die Gästeliste hat Köhler offenbar Einfluss genommen. Es hat durchaus etwas Ungewöhnliches, wenn an diesem Abend um 22 Uhr auch die hochrangigen Vertreter der Verfassungsorgane vor Ort sein werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ebenso erwartet wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesratspräsident Jens Böhrnsen und Vizekanzler Guido Westerwelle. Auch der Verteidigungsminister will kommen. Nur der Präsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, lässt sich vertreten.

Bei früheren Verabschiedungen von Bundespräsidenten war ein derartiger Auflauf von Spitzenkräften des Staates nicht zu beobachten. Doch diesmal liegen die Dinge anders. Besondere Rücktritte erfordern andere Umstände. Wie die "Süddeutsche Zeitung" erfahren haben will, bat Köhler eigens um das Kommen derjenigen, die er vor seinem Rücktritt telefonisch informiert hatte.

Showdown am Schloss

Wieder so ein rätselhafter Zug. Nach dem fluchtartigen Rücktritt Köhlers, war nicht damit zu rechnen, dass der so bitter enttäuschte Ökonom noch einmal den öffentlichen Auftritt sucht, vor allem angesichts der verheerenden Kritik, die ihm nach seinem Aus entgegenschlug.

So manchem bietet das nun Anlass, erneut über die vermeintlich "wahren" Motive für Köhlers Entscheidung zu rätseln. "Lüftet Köhler heute sein Rücktritts-Geheimnis?", fragte die Bild-Zeitung. "Köhler bricht möglicherweise sein Schweigen" titelte auch die Nachrichtenagentur ddp. Zugegeben - die Vorstellung hat hollywoodreifen Charme: Der endgültig letzte Tag am Schloss Bellevue als Rahmen für die endgültig letzte Abrechnung. Ein Showdown mit Fackelzug.

Eine letzte, kurze Rede

Das politische Berlin bleibt gelassen. Kaum einer rechnet damit, dass Köhler die Gründe für seinen Rücktritt erläutert, geschweige denn vermeintlich "wahre" Motive. Eine kurze Rede soll geplant sein, bereits am Vormittag verabschiedete sich Köhler von seinem Mitarbeiterstab, in dem es in den letzten Amtswochen des Präsidenten ebenfalls erheblich gekriselt haben soll.

Offiziell begründet hatte Köhler seinen Abschied am 31. Mai mit der heftigen Kritik an seinen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und angeblich mangelndem Respekt vor dem Amt. Angesprochen war damit unter anderem Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen. Der hatte Köhler damals vorgeworfen "Kanonenbootpolitik" das Wort zu reden. Zuvor hatte der Bundespräsident in einem Hörfunkinterview gesagt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz" notwendig, um Deutschlands "Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege".

"Ein unsicherer Mensch"

An diesem Dienstag, pünktlich zur Verabschiedung Köhlers, bekräftigt Trittin noch einmal seine Wortwahl. "Meine Worte an Herrn Köhler mögen im Ton zugespitzt gewesen sein, aber das kann nicht wirklich ein Rücktrittsgrund sein", sagte der Grünen-Politiker dem "Hamburger Abendblatt".

Tatsächlich war die Kritik wohl nur der berühmte Tropfen. Offensichtlich hatte sich bei Köhler jede Menge Frust aufgestaut. Über die immer tieferen Gräben zur Berliner Spitzenpolitik, die Verwerfungen im eigenen Haus oder die zunehmend spöttischen Kommentare in den Medien.

Köhler-Biograf Gerd Langguth verweist außerdem auf die Persönlichkeit des Polit-Aussteigers: "Er war kein Mann, der die Politik sehr gut kannte", sagte der Politikwissenschaftler am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Köhler habe immer wieder versucht zu verbergen, dass er ein unsicherer Mensch sei.

Trotz seiner Beliebtheit im Volk habe Köhler an unmittelbarer Erfahrung mit dem Volk gefehlt, da er niemals als Mandatsträger um dessen Stimmen gerungen habe.

Zumindest diese Eigenschaft bringt der aktuelle Favorit auf Köhlers Nachfolge mit: Nach dem Willen der Regierungskoalition soll die Bundesversammlung am 30. Juni den CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff zu Köhlers Nachfolger wählen. Rot-Grün schickt Joachim Gauck ins Rennen.

mit Agenturmaterial

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