Guttenberg-Gutachten Hinterher weiß man immer mehr

Düsseldorf (RPO). Die Gutachter der Uni Bayreuth gehen mit Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg hart ins Gericht. Für das Gremium ist glasklar, dass der Freiherr bei seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht hat. In der Vergangenheit kam dabei immer wieder die Frage auf, warum dieser krasse Fall der Täuschung nicht auffiel und mit der Bestnote bewertet wurde. Hier fällt das Urteil der Fachleute milde aus.

 Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann, stellte die Ergebnisse am Mittwoch vor.

Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann, stellte die Ergebnisse am Mittwoch vor.

Foto: dapd, dapd

In den vergangenen Wochen und Monaten erhielt das Ansehen des deutschen Hochschulbetriebs erhebliche Kratzer. Denn nicht nur der Baron aus Franken geriet in die Schlagzeilen. Auch die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin steht im Kreuzfeuer der Kritik. Fachleute erwarten, dass die Liberale Frontfrau ihren Titel abgeben muss. Am Mittwoch wurde zudem bekannt, dass auch die Tochter des langjährigen CSU-Chefs Edmund Stoiber, Veronica Saß, wegen Plagiatsvorwürfen ihren Doktortitel im Fach Jura verloren hat.

Prominente Namen, schwerwiegende Vorwürfe und viele Fragen. Wie kann es sein, dass teils dreist zusammengeklaubte Machwerke mit guten Noten bewertet werden? In zahlreichen Internetforen wird sogar über einen Prominenten-Bonus spekuliert. Schauen Doktor-Väter und Prüfungssausschüsse nicht so genau hin, wenn ein Doktorand mit einem bekannten Namen vor einem sitzt?

Auch vor diesem Hintergrund war das Gutachten der "Guttenberg-Kommission" mit Spannung erwartet worden. Aber das Ergebnis fällt eher mager aus. Zwar wird diesem Thema im Bericht gleich ein ganzes Kapitel ("Mitverantwortung") gewidmet. Die beteiligten Professoren und Gutachter werden aber gleich zu Beginn von jeder Verantwortung freigesprochen.

"Die Kommission stellt fest, dass die Gutachter des Promotionsverfahrens im Sinne der 'Regeln über den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Universität Bayreuth' keine Mitverantwortung für das wissenschaftliche Fehlverhalten von Herrn Frhr. zu Guttenberg trifft. Es ist festzuhalten, dass auch die Gutachter getäuscht wurden."

"Rhetorisch erstklassig"

Es sei auszuschließen, dass die Verantwortlichen von Guttenbergs Täuschung gewusst haben oder in einer anderen Form ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt hätten. Der zuständige Professor Peter Häberle habe zudem berichtet, dass Guttenberg die Themenstellung seiner Dissertation einst selbst entwickelt habe.

Häberle habe zwar gewusst, dass Guttenberg sein Erstes Staatsexamen nur mit einer "eher mäßigen Note" bestanden habe. Da Guttenberg in den Seminaren aber durch "rhetorisch erstklassige" Diskussionsbeiträge aufgefallen sei, habe diese Note keine entscheidende Rolle spielen müssen. Häberle sei stattdessen dem Prinzip des "pädagogischen Optimismus" gefolgt.

Auf der Basis eines generellen "Vertrauensverhältnisses" habe Häberle nicht damit rechnen müssen, dass Guttenberg die wissenschaftlichen Grundregeln derart verletzen würde. Genau dies gelte auch für den Zweitgutachter Professor Rudolf Streinz. Dieser habe den üblichen Regeln folgend nicht vornehmlich die handwerkliche Seite der Arbeit untersucht, sondern geprüft, ob die Note des Erstgutachters inhaltlich zu vertreten sei.

Zudem sei es den Lehrenden bei geisteswissenschaftlichen Dissertationen nicht zuzumuten, die Doktoranden zu beaufsichtigen. Professor Häberle habe Guttenberg über die Jahre mehrmals Beratungstermine angeboten, Guttenberg habe diese aber nicht genutzt. Guttenbergs überzeugender Auftritt bei der mündlichen Prüfung habe zudem auch keinen Grund zum Zweifeln gegeben.

Warum "summa cum laude"?

Bei der Frage nach der Note räumen die Gutachter vorsichtig ein, dass die Bewertung nicht unproblematisch sei. Sie geben an, dass die Vergabe der Bestnote besser hätte begründet werden müssen.

Aus heutiger Sicht — im Wissen um das Plagiat — würde man sich noch eingehendere Ausführungen zur "Originalität" also zum "innovative[n] Charakter" bzw. zum "Neuigkeitswert" Arbeit — und damit zum Ausmaß des wissenschaftlichen Fortschritts — wünschen.

Schließlich kommen die Gutachter zu ihrer Schlussfolgerung.

Es ist allerdings zu betonen, dass sich im Nachhinein — im Wissen um das Plagiat — manches klarer darstellt als zur Zeit der Erstellung der Gutachten. Ob die Dissertation in Promotionsverfahren, die sich auf andere Fächer beziehen (etwa die Geschichts- oder die Politikwissenschaft), aus der Perspektive der für sie geltenden Erkenntnisinteressen, Qualitätskriterien und Benotungsstandards seinerzeit mit "summa cum laude" bewertet worden wäre, lässt sich — insbesondere im Rückblick, nachdem das Plagiat erkannt ist — schwer beurteilen.

Die Stellungnahme der Kommission lässt sich anscheinend am besten mit einer alten Redensarten zusammenfassen: "Hinterher weiß man immer mehr". Das entspricht natürlich der Wahrheit. Ob es aber genügt, schrumpfendes Vertrauen wiederherzustellen, bleibt wohl abzuwarten.

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