Landtagswahl Hessen hat "hessische Verhältnisse"

Frankfurt · Schwarz-Gelb abgewählt, Debakel für die FDP, Rot-Rot-Grün möglich: Nach der Landtagswahl steht Hessen vor einer schwierigen Regierungsbildung, vor den schon sprichwörtlichen "hessischen Verhältnissen".

 Betretene Gesichter bei der FDP in Hessen.

Betretene Gesichter bei der FDP in Hessen.

Foto: dpa, Frank Rumpenhorst

Schwarz-Gelb abgewählt, Debakel für die FDP, Rot-Rot-Grün möglich: Nach der Landtagswahl steht Hessen vor einer schwierigen Regierungsbildung, vor den schon sprichwörtlichen "hessischen Verhältnissen".

Die CDU wird ersten Hochrechnungen zufolge stärkste Partei, die bisher mitregierende FDP fliegt jedoch mit ihrem zweitschlechtesten Nachkriegsergebnis aus dem Parlament. Die SPD, die 2009 in ihrer einstigen Hochburg auf ein historisches Tief abgesackt war, legt kräftig zu.

Für einen Machtwechsel braucht Rot-Grün den Zahlen nach jedoch die Linken. SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel hatte Rot-Rot-Grün im Vorfeld "politisch" ausgeschlossen, "formal" jedoch nicht und sich somit ein Hintertürchen offengelassen — ein Balanceakt freilich, mit dem er Schwarz-Gelb in der heißen Wahlkampfphase Munition lieferte. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte daraufhin von seinem Widersacher im Wahlkampf vergeblich ein "Ehrenwort" verlangt, nicht mit der Linken zu koalieren. Auch gestern Abend wollte sich Schäfer-Gümbel nicht festlegen, ob er mit der Linken kooperieren will, um Ministerpräsident zu werden, machte aber zugleich deutlich, dass die Sozialdemokraten eine Regierungsbeteiligung anstreben. Rechnerisch möglich sind auch eine Koalition von CDU und SPD sowie Schwarz-Grün.

CDU sieht klaren Regierungsauftrag

Nach Ansicht des Ministerpräsidenten besitzt die CDU nach der Wahl einen klaren Regierungsauftrag. "Eine starke und kraftvolle Regierung geht in Zukunft nur unter Führung der Union", sagte Bouffier, der auch CDU-Landeschef ist: "Wir wollen auch in Zukunft dieses Land politisch führen." Auch die SPD sieht sich als Wahlsieger. "Wir wollen gestalten und nicht nur zuschauen", sagte Schäfer-Gümbel. Der Wähler habe die SPD als starken Akteur zurück auf die politische Bühne geholt.

Der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn sprach von einem "sehr bitteren Abend für die FDP sowohl in Hessen als auch im Bund". "Die hessische FDP wird es weiter geben", betonte er. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mathias Wagner, zeigte sich enttäuscht: "Wir hätten gern mehr zu einem Regierungswechsel beigetragen." Die Linke zeigte sich erleichtert, wieder in den Landtag eingezogen zu sein.

Schäfer-Gümbel (43) galt nach dem Debakel um die gescheiterte Regierungsbildung seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti 2008 zunächst eher als Notnagel denn als Hoffnungsträger. Ypsilanti hatte im Wahlkampf eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, nach der Wahl jedoch trotzdem versucht, sich mit den Stimmen der Linken zur Regierungschefin wählen zu lassen. Der Versuch war krachend gescheitert — vier Abweichler aus Ypsilantis eigener Partei ließen die Wahl damals platzen; bei der folgenden Neuwahl stürzte die SPD 2009 auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis ab.

"TSG" selbstbewusster Fraktionschef

Ypsilantis Nachfolger Schäfer-Gümbel, von seinen Parteifreunden "TSG" gerufen, reifte in der Folgezeit zu einem selbstbewussten Fraktionschef, der die zerstrittenen Parteiflügel einte und die Sozialdemokraten nun gestern mit erheblichen Zugewinnen zu einem Comeback führte.

Bouffier (61) — vor seinem Wechsel an die Regierungsspitze viele Jahre Innenminister in Hessen — war 2010 als Nachfolger Roland Kochs zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende legte sich im eher müden Landtagswahlkampf, in dem er auf die gute wirtschaftliche Lage Hessens und die Popularität von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte, klar auf ein schwarz-gelbes Bündnis fest. Kurz vor der Wahl leistete er sich eine Stolperer, als er eine Koalition mit der "Alternative für Deutschland" zunächst nicht ausschloss — und dann doch.

Zu einer Wahlpanne kam es in Kassel: Im Wahlbezirk 4 kreuzten 300 Wähler Wahlscheine für den Bezirk 3 an, wie Hans-Jochem Weikert von der Stadtverwaltung bestätigte. Damit sind laut Wahlgesetz die Erststimmen ungültig, die Zweitstimmen aber zählen. "Dies könnte die Wahl entscheiden", sagte Weikert dem Hessischen Rundfunk. Der alte Landtag wird auf jeden Fall noch bis Mitte Januar 2014 im Amt bleiben. Erst dann endet die Legislaturperiode.

(REU)
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