Spitzengespräch von Bund, Ländern und Kommunen Was der Flüchtlingsgipfel gebracht hat – und was nicht

Berlin · Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zum Spitzengespräch geladen, weil viele Kommunen beim Umgang mit Flüchtlingen unter Druck stehen. Die Vertreter der Städte und Landkreise hatten reichlich Ärger im Gepäck. Nach vier Stunden war der Gipfel am Donnerstag zu Ende – für manch einen mit ernüchternden Ergebnissen.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, eröffnet in ihrem Ministerium den Flüchtlingsgipfel mit Vertretern der Innenministerkonferenz und der kommunalen Spitzenverbände.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, eröffnet in ihrem Ministerium den Flüchtlingsgipfel mit Vertretern der Innenministerkonferenz und der kommunalen Spitzenverbände.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Pressekonferenz war für 13 Uhr am Donnerstag vereinbart worden. Doch die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) traten erst mit fast zwei Stunden Verspätung vor die Kameras. Hauptgrund für die Verzögerung waren die teils sehr kontroversen Gespräche zwischen Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen. Das Thema ist heikel: Wie kann es gelingen, Städte und kleinere Gemeinden bei der Versorgung und Unterbringung von vielen Hunderttausend Flüchtlingen zu entlasten, die vornehmlich aus der Ukraine kommen und vor dem russischen Angriffskrieg Schutz suchen? Forderungen gab es im Vorfeld viele, doch was sind die Ergebnisse? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu.

Warum ist der Druck in den Kommunen so groß?

Immer mehr Bürgermeister, Landräte und andere Politiker aus den unterschiedlichen Regionen Deutschlands schlagen Alarm, weil sie vor Ort Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen haben. Zu den Flüchtlingen aus den Jahren 2015 und danach kamen in den vergangenen zwölf Monaten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge von dort nach Deutschland. So wird in den Städten und Gemeinden Wohnraum knapp, große Hallen sind teils schon belegt, Kita- und Schulplätze fehlen. Hinzu kommen teils langwierige Asylverfahren, die einer Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt im Wege stehen.

Welche Sorgen bestehen?

Dass die weiterhin gegebene Hilfsbereitschaft der Bevölkerung umschlagen könnte in Protest – wie dies in einzelnen Regionen, etwa in Sachsen, bereits der Fall ist. „Die Stimmung im Land, die droht zu kippen“, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth nach dem Treffen in Berlin. „Deshalb ist es notwendig, dass wir schnell Lösungen finden“, betonte der CDU-Politiker.

Wer saß bei Innenministerin Faeser mit am Tisch?

Zuvorderst die Landesinnenministerinnen und -minister, das Finanz- und das Bauministerium, kommunale Spitzenverbände und die Integrations- und Migrationsbeauftragten der Bundesregierung.

Was wurde vereinbart?

Im Streit um die Lasten- und Kostenaufteilung in der Flüchtlingspolitik haben sich Bund und Länder auf ständige Gremien zur Abstimmung verständigt. Erstmals seien feste Arbeitsstrukturen in diesem Bereich vereinbart worden, sagte Faeser. Insgesamt soll es vier Arbeitsgruppen geben. Ergebnisse sollen Faeser zufolge bis Ostern vorgelegt werden.

Eine Gruppe soll sich den Angaben zufolge mit Fragen von Unterbringung und Finanzen, eine zweite mit der Entlastung von Ausländerbehörden und eine dritte mit Integration befassen. In einer vierten Arbeitsgruppe soll es um die Bekämpfung sogenannter irregulärer Migration und Rückführungen gehen. Ständige Abstimmungen zwischen Bund und Ländern gibt es schon bislang. Über die Arbeitsgruppen werden nun aber auch die Kommunen eingebunden.

Faeser erklärte weiter, dass es künftig ein Dashboard mit aktuellen Daten zur Flüchtlingssituation bis auf Ebene der Kommunen geben soll. Zudem solle zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Faeser zufolge geht es um die Bereitstellung von Flächen, auf denen in serieller Bauweise Wohnungen entstehen sollen.

Welche internationalen Bemühungen gibt es?

Mit Blick auf die steigenden Zahlen der Asylsuchenden etwa aus der Türkei, Syrien oder Afghanistan verwies Faeser auf die jüngste Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungschefs, den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union zu stärken. Zudem müsse es eine konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber geben. Dazu soll der neue Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, der FDP-Politiker Joachim Stamp, entsprechende Abkommen mit Drittstaaten aushandeln.

Bis wann soll die bessere Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen fruchten?

An Ostern soll eine Zwischenbilanz gezogen werden. Dann steht eine Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Scholz an.

Gab es weitere Finanzzusagen des Bundes bei dem Gipfel?

Nein. Innenministerin Faeser hatte bereits im Vorfeld des Gipfels die Erwartungen an frisches Geld zurückgewiesen. Um dabei voranzukommen, hatten die Union und kommunale Spitzenvertreter einen Flüchtlingsgipfel bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) gefordert, bei dem auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) hätte anwesend sein können. So blieb es lediglich bei den Vereinbarungen bis Ostern. Insbesondere der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), kritisierte dies erneut und mahnte, dass der Druck auf die Kommunen von Woche zu Woche größer werde. Faeser stellte weitere Gespräche über mögliche zusätzliche Finanzhilfen des Bundes in Aussicht.

Welche andere Kritik gab es?

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte eine finanzielle Entlastung der Kommunen. „Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels bei der Bundesinnenministerin zeigen Licht und Schatten. Leider bleibt die drängende Frage der finanziellen Entlastung der Kommunen ungelöst“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, unserer Redaktion. „Wir erwarten daher bei der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler eine deutliche finanzielle Unterstützung der Städte und Gemeinden, die über die bisherigen Zusagen hinausgeht und die höheren Kosten für Unterkunft, Schule, Kita und Integration wirklich deckt. Bund und Länder dürfen die Kommunen hier nicht im Stich lassen“, mahnte Landsberg. Er pochte zudem auf den Kampf gegen illegale Migration und die bessere Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern. Diese seien „unverzichtbare Bausteine der Migrationspolitik“, sagte Landsberg. „Das ist auch erforderlich, um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu gefährden.“ Er begrüßte das vereinbarte „Dashboard“, um die Kommunen über das Ankunftsgeschehen von Flüchtlingen zu informieren. „Mit Blick auf die dringend notwendige Transparenz beim Ankunfts- und Verteilungsgeschehen ist dies ein sinnvolles Instrument“, sagte Landsberg.

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