Tagung zur Zukunft Europas Helmut Schmidt: "Stehen vielleicht vor einer Revolution"

Hamburg · Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hält in den nächsten Jahren tiefgreifende politische und wirtschaftliche Veränderungen für denkbar. "Wir stehen vielleicht vor einer Revolution in Europa", sagte Schmidt am Donnerstag beim Wirtschaftsforum der Wochenzeitung "Die Zeit" in Hamburg.

 Helmut Schmidt und Wolfgang Schäuble sprechen beim Wirtschaftsforum der "Zeit".

Helmut Schmidt und Wolfgang Schäuble sprechen beim Wirtschaftsforum der "Zeit".

Foto: dpa, Angelika Warmuth

Er spüre, dass in ganz Europa das Vertrauen in die europäischen Institutionen abgenommen habe. Auch in China und den USA sei die Situation von Unsicherheiten geprägt. Auf der anderen Seite sei es auch möglich, dass Europa die aktuelle Krise überwinde und in drei bis vier Jahren wie Phoenix aus der Asche komme - "wenn wir die richtigen Schritte gehen". Es komme darauf an, die europäischen Institutionen und den Rechtsrahmen zügig zu reformieren.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies auf die weltpolitischen Veränderungen und die Bedeutung des Euro in der globalisierten Wirtschaft hin. "Wenn wir keine europäische Währung hätten, dann müssten wir sie erfinden", sagte er. Europa sei nach wie vor die größte Wirtschaftsregion der Welt und der Euro eine weltweit wichtige Währung. "Natürlich setzt der Euro alle beteiligten Nationen unter Wettbewerbsdruck", sagte der Finanzminister. Das sei aber auch so gewollt, um Europa insgesamt wettbewerbsfähig zu halten.

Es zeichne sich ab, dass die Lohnstückkosten in anderen europäischen Ländern, die in der Vergangenheit weit stärker gestiegen sind als in Deutschland, sich nun wieder annähern. "Die anderen Länder müssen besser werden", forderte Schäuble. Es wäre nicht der richtige Weg, auf Produktivitätsfortschritte und Exporterfolge in Deutschland zu verzichten. Die Wachstumsdynamik in Europa sei ohnehin begrenzt und werde geringer ausfallen als in früheren Jahren oder in anderen Weltregionen. "Gesellschaften können schnell in Panik geraten, wenn sie keine Zukunftsperspektiven sehen", warnte Schäuble.

Zum Auftakt der Konferenz hatte Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, seine Branche verteidigt. "Die Banken haben erhebliche Schuld auf sich geladen, aber allein hätten sie die Krise nicht bewirken können", sagte er. Kernproblem sei die wachsende Verschuldung weltweit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verdreifacht habe. Die Schulden hätten sich zudem vom privaten auf den öffentlichen Sektor verlagert. Die Deutsche Bank will sich auf langfristige Ziele konzentrieren und so gesellschaftliches Vertrauen zurückgewinnen. Kurzfristige Gewinnoptimierung ergebe wirtschaftlich keinen Sinn, weil sie langfristig der Bank schade, sagte Fitschen. Er sprach sich erneut dagegen aus, Investmentbanking und Kundengeschäft zu trennen.

(dpa)
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