FDP eröht Druck auf Wirtschaftsminister Robert Habeck kämpft um Kompromiss im Heizungsstreit

Berlin · Eigentlich ist er gar nicht mehr zuständig, sondern das Parlament. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versucht am Dienstagabend trotzdem, in einem Gespräch den abtrünnigen Koalitionspartner FDP vom umstrittenen Heizungsgesetz zu überzeugen.

 Kontrahenten: Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner (links) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf der Regierungsbank im Bundestag

Kontrahenten: Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner (links) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf der Regierungsbank im Bundestag

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen sind intensiv bemüht, den Koalitionspartner FDP beim umstrittenen Heizungsgesetz zurück ins Boot zu holen. Die FDP meutert, obwohl sie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Kabinett zunächst mit abgesegnet hatte. Danach verhinderten die Liberalen vergangene Woche die Einbringung des Gesetzes in den Bundestag, weil sie erheblichen Änderungsbedarf sehen und zu viele Fragen offengeblieben seien. Habeck versuchte, die Bedenken am Dienstagabend in einem virtuellen Gespräch mit Abgeordneten der Ampel-Fraktionen auszuräumen. Sein Ministerium hängte die Erwartungen zuvor allerdings tief. Die Verhandlungen müssten im Parlament geführt werden, Habeck gebe nur Auskunft und mache Kompromiss-Vorschläge. Auch auf der Fraktionsebene liefen die Ampel-Verhandlungen weiter.

Das GEG sieht im Regelfall vor, dass kaputte und nicht mehr reparierbare Öl- und Gasheizungen ab 2024 durch eine klimafreundliche Heizung ersetzt werden müssen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Das bedeutet das Aus für herkömmliche Öl- und Gasheizungen. Schon die vorherige schwarz-rote Koalition hatte 2020 den Weiterbetrieb von Öl- und Gasheizungen aus Klimaschutzgründen verboten, die älter als 30 Jahre alt sind. Doch erst mit Habecks neuem Gesetzentwurf ist vielen Bürgern klar geworden, dass auf sie bald höhere Kosten für den Heizungstausch zukommen, weil die vermeintlich günstigere Alternative einer neuen Gas- oder Ölheizung nicht mehr oder nur noch befristet zugelassen wird. Was viele nicht wissen: Das GEG lässt eine Übergangsfrist auch für den Fall zu, dass die alte Gasheizung irreparabel ist. Dann darf noch ein letztes Mal für maximal drei Jahre eine neue Gasheizung eingebaut werden. Nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums werden 2024 rund vier Millionen Öl- und Gasheizungen 30 Jahre alt. Ein Teil davon – mehrere Hunderttausend Heizungen – müsste nach dem GEG ausgetauscht werden.

Die FDP hatte am Donnerstag 77 Fragen an Habeck eingereicht, die der Minister im Gespräch mit den drei Berichterstattern der Fraktionen für das Gesetz, Timon Gremmels (SPD), Bernhard Herrmann (Grüne) und Konrad Stockmeier (FDP) am Dienstagabend beantworten wollte. „Minister Habeck hat die Berichterstatter der drei Ampel-Fraktionen für heute Abend eingeladen, um die von den FDP-Berichterstattern gestellten 77 Fragen und gegebenenfalls weitere Nachfragen zu beantworten“, hatte eine Ministeriumssprecherin erklärt. „Es handelt sich um keine Verhandlungsrunde, und folglich wird es heute auch keine Ergebnisse geben, sondern die Beantwortung von fachlichen Fragen steht im Vordergrund“, hieß es ergänzend aus Regierungskreisen. „Ziel ist es, wie von Minister Habeck angekündigt, auszuloten, an welchen Stellen Verbesserungen sinnvoll und machbar sind.“ Habeck „wird dann seine Vorschläge in die Gespräche zwischen den Fraktionen einspeisen“.

Am Freitag hatte Habeck bereits Kompromissvorschläge präsentiert, die von der FDP begrüßt wurden. So zeigte er sich bereit, für bestehende Gebäude den Heizungstausch nicht bereits zum 1. Januar 2024, sondern erst etwas später vorzuschreiben. Bei Neubauten soll der Starttermin zum Jahresanfang unverändert bleiben. Zudem will Habeck für mehr Technologieoffenheit im Gesetz sorgen und den Fokus auf Wärmepumpen verringern. Die FDP dringt auf die Option wasserstoffgetriebener Heizungssysteme, die allerdings davon abhängig sind, dass der Wasserstoff ein Haus tatsächlich erreicht. Zudem solle das GEG mit der kommunalen Wärmeplanung abgestimmt werden, forderte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. Eigentümer müssten die Möglichkeit haben abzuwägen, ob eine neue Heizung oder der Anschluss an ein Wärmenetz die bessere Alternative sei. Der Städtetag hatte den Bund aufgefordert, den Aus- und Umbau der Wärmenetze stärker zu fördern.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erhöhte am Dienstag den Druck auf den Vize-Kanzler. „Die Erwartungen an den heutigen Heizungsgipfel im Bundeswirtschaftsministerium orientieren sich nach wie vor an dem Ziel, Klimaschutz praktikabel und wirtschaftlich für die Bürgerinnen und Bürger sowie technologieoffen zu gestalten“, sagte er unserer Redaktion. „Es müssen im Gebäudeenergiegesetz substanzielle Fortschritte in dieser Hinsicht erreicht werden. Das Gesetz darf die Menschen wirtschaftlich und finanziell nicht überfordern. Kosmetische Änderungen sind nicht ausreichend“, sagte der FDP-Politiker.

Die Grünen wollen vor allem bei der Förderung nachsteuern. „Wir sehen erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Förderung des Heizungsumtauschs insbesondere für Hauseigentümer und Mieter mit geringen Einkommen. Da werden wir aufstocken müssen. Auch bei der Förderung des Aus- und Umbaus der kommunalen Wärmenetze wird der Bund nachlegen müssen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden.

Für SPD und Grüne ist wichtig, das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause durch den Bundestag zu bringen, die am 7. Juli beginnt. Dazu müsste die FDP der Einbringung in der nächsten Sitzungswoche zustimmen. „Die Menschen wollen rechtzeitig wissen, was ab 2024 gilt. Deshalb wäre es wichtig, dass wir jetzt zügig Planungssicherheit schaffen und das Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause verabschieden“, sagte Verlinden.

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