Flüchtlingspolitik Geißler: Merkel hätte Friedensnobelpreis verdient

Berlin · Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande am Nachmittag mit dem EU-Parlament über die Flüchtlingspolitik debattieren, hat der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler die haltung der Kanzlerin mit deutlichen Worten gelobt.

Zudem kritisierte er die Haltung der CSU in der Flüchtlingsfrage heftig. "CSU-Chef Horst Seehofer muss sich fragen lassen, ob ihm Viktor Orban näher ist als die Menschenwürde der Flüchtlinge", sagte Geißler der "Passauer Neuen Presse". Ausdrücklich lobte er die Entscheidung von Merkel, Zehntausende Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen. "Hätte sie zuschauen sollen, wie diese Leute in Ungarn verrecken?", fragt Geißler. "Angela Merkel hätte den Friedensnobelpreis verdient. Nächstenliebe ist keine Gefühlsduselei und kein Gutmenschentum, sondern eine Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind."

Derweil sieht der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach durch den Zuzug Hunderttausender Migranten langfristig eine Stärkung des Gesundheitssystems. Es handele sich um "dringend benötigte, wichtige zukünftige Beitragszahler", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Menschen würden nach einigen Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein. So könne die sonst drohende demografische Krise bei der Finanzierung des Gesundheitssystems entschärft werden. "Darüber hinaus verursachen sie wenig Kosten", fügte Lauterbach hinzu. Die meisten Flüchtlinge seien in einem gesundheitlich guten Zustand, wenn man von den Strapazen der Reise und Verletzungen absehe. "Es handelt sich um junge Menschen, die von chronischen Krankheiten verschont sind und die das Gesundheitssystem kurzfristig nicht deutlich belasten werden", betonte der SPD-Politiker.

500.000 unerlaubte Grenzübertritte

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise absolvieren Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande einen seltenen Doppelbesuch im EU-Parlament. Sie debattieren am Mittwochnachmittag in Straßburg zwei Stunden mit den Abgeordneten über die Lage der EU.

An den EU-Außengrenzen gab es einem Zeitungsbericht zufolge seit Beginn des Jahres bereits mehr als eine halbe Million unerlaubte Grenzübertritte. Von Januar bis August habe es 506.000 unerlaubte Grenzübertritte gegeben, berichtet die "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe) unter Berufung auf einen Lagebericht der deutschen Behörden zur Flüchtlingskrise. Das seien fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

In dem zitierten "Gasim"-Bericht werden die wichtigsten Erkenntnisse von Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundespolizei, Auswärtigem Amt, Bundesamt für Migration und dem Zoll dokumentiert. In den 16-seitigen Papier heißt es den Angaben zufolge, dass die meisten Flüchtlinge aus Syrien (60 Prozent) und Afghanistan (18 Prozent) kommen.

Ein wesentlicher Brennpunkt ist dem Bericht zufolge die türkisch-griechische Seegrenze, über sie reisten laut "Gasim"-Bericht allein von April bis August 210.000 Menschen illegal in die Europäische Union ein. Die Schleusung aus der Türkei führe vorwiegend auf die griechischen Inseln Lesbos und Kos. Danach werde die Reise nach Deutschland in den meisten Fällen über den Westbalkan fortgesetzt. Allein von Januar bis August hätten 155.000 Flüchtlinge diese Route genommen. Das entspräche einer Steigerung von 1300 Prozent zum Vorjahr.

Dagegen war die Zahl der Flüchtlinge, die über den lebensgefährlichen Seeweg von Nordafrika nach Italien kamen, dem Bericht zufolge mit 106.000 Immigranten in der Zeit von Januar bis August im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.

(dpa/AFP)
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