Interview mit Justizminister Heiko Maas "Volksentscheide auch auf Bundesebene ermöglichen"

Berlin · Justizminister Heiko Maas (SPD) spricht sich im Interview mit unserer Redaktion für mehr direkte Demokratie aus, will Mobbing im Internet strafrechtlich bekämpfen und Bankkunden mit überzogenen Giro-Konten helfen.

Das ist Heiko Maas
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Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Wer aus den Ländern kommt und überraschend in Berlin ein Regierungsamt erhält, hat es oft schwer. Sie auch?

Maas Mir kommt das nicht so vor. Es wäre eine Fehleinschätzung zu glauben, dass Landespolitiker Berlin nicht kennen. Ich bin seit zehn Jahren im Parteivorstand, war als stellvertretender Ministerpräsident regelmäßig im Bundesrat. Berlin ist mir daher nicht fremd. Die Berliner Medienwelt ist vielleicht etwas hektischer als in den Ländern. Aber es ist mir überhaupt nicht schwer gefallen, mich einzugewöhnen.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagt, in der Politik auf Bundesebene werde gemobbt.

Maas In Berlin herrscht nicht mehr oder weniger Mobbing als anderswo auch. Es sind nur mehr Menschen auf einem Haufen zusammen.

Werden durch das neue Kinderpornografie-Gesetz Bilder verboten, wie sie sich der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy besorgt hat?

Maas Da ich die Ermittlungsakte nicht kenne, weiß ich auch nicht, welche Bilder das waren. Völlig unabhängig von diesem Fall ist jedoch klar: Niemand darf mit den Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen Geschäfte machen.

Sind Sorgen berechtigt, dass Eltern dann auch keine Bilder mehr von den eigenen Kindern am Strand machen dürfen?

Maas Nein. Nacktbilder am Strand, die Eltern von Ihren Kindern machen, bleiben natürlich völlig unproblematisch. Wir stellen nur Aufnahmen unter Strafe, die entblößend sind und gegen den Willen der Erziehungsberechtigten gemacht wurden. Damit wollen wir auch das um sich greifende Cybermobbing bekämpfen. Es gibt immer mehr Fälle, in denen unbefugt gemachte, entwürdigende Bilder gepostet werden, um andere zu mobben. Solche Bilder befinden sich oft jahrelang im Netz und können daher eine große Belastung für die Betroffenen sein. Dadurch sind sogar schon Jugendliche in den Selbstmord getrieben worden. Wir wollen die Opfer besser schützen. Sie sollen beantragen können, dass diejenigen strafrechtlich verfolgt werden, die solche bloßstellenden Bilder ohne Erlaubnis ins Internet stellen.

Ist es akzeptabel, dass Girokontobesitzer rund zehn Prozent Überziehungszinsen zahlen müssen?

Maas Nein. Das ist überzogen und nicht akzeptabel. Es gibt in der derzeitigen Niedrigzinsphase überhaupt keinen Grund, so hohe Dispozinsen zu verlangen. Darauf sollte keine Bank wirtschaftlich angewiesen sein.

Wie wäre es mit einer Deckelung der Zinsen für Giro-Konten?

Maas Wir müssen das tun, was rechtlich unbedenklich ist und den Kunden praktisch hilft: Wir wollen die Banken verpflichten, ihre Kunden auf niedriger verzinste Alternativangebote und Umschuldungsmodelle hinzuweisen. Denn oft ist die regelmäßige Nutzung des Überziehungskredits der erste Schritt in eine dauerhafte Überschuldung. Deshalb sollten die Menschen darauf hingewiesen werden, welche Möglichkeiten sie haben, da raus zu kommen. Wir wollen deshalb sowohl mit Verbraucherverbänden als auch mit der Kreditwirtschaft sprechen, um hier zu effektiven Lösungen zu kommen.

Gespräche mit den Banken hat die Vorgängerregierung auch geführt.

Maas Ich habe den Eindruck, dass bei den Banken ein Umdenken einsetzt. Im Übrigen setzen wir da ganz auf Transparenz und Wettbewerb. Die Höhe der Dispozinsen sollte für die Kunden auch im Internet vergleichbar sein. Diese Klarheit wird es den Banken dann auch schwerer machen, in der jetzigen Niedrigzinsphase ihren Kunden hohe Dispozinsen abzuverlangen.

Sie gelten als Anhänger der direkten Demokratie. Sind Sie auch dafür, die Wahlperiode zu verlängern?

Maas Darüber könnten wir gemeinsam mit der Opposition durchaus einmal diskutieren. In vielen Bundesländern gibt es ja schon fünfjährige Legislaturperioden.

Sollte die große Koalition einen neuen Anlauf nehmen?

Maas Die große Koalition sollte eine längere Wahlperiode nur im Einvernehmen mit der Opposition angehen. Ich könnte mir dabei vorstellen, dass wir sie damit verbinden, Volksentscheide auch auf Bundesebene zu ermöglichen. Das würde die Art und Weise verändern, wie in diesem Land Politik gemacht wird. Derzeit reichen zwei Stufen: Wenn ich etwas durchsetzen will, brauche ich zuerst eine Mehrheit in meiner Partei und dann eine im Parlament. Und das war's. Ich halte es aber für dringend nötig, dass wir für wichtige gesetzliche Maßnahmen auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung haben. Wenn jederzeit die Möglichkeit eines Volksentscheides besteht, wird die Politik von sich aus schon viel mehr den Dialog mit den Bürgern suchen.

Welche Themen bieten sich für Volksentscheide an?

Maas Ganz viele. Ich glaube der Wunsch der Menschen nach Einflussnahme auch außerhalb von Wahlen ist groß. Eine Ausnahme gilt aber sicher für die Verabschiedung des Haushaltes, weil das ein komplexes Verfahren ist, das man nicht einfach mit ja oder nein beantworten kann.

Gregor Mayntz und Eva Quadbeck führten das Interview.

(may- / qua)
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