Arbeitslosengeld II Hartz-IV-Sanktionen sollen überprüft werden

Berlin · Die Bundesregierung will die Sanktionspolitik der Arbeitsargenturen auf den Prüfstand stellen. Sozialverbände monieren, die aktuelle Behandlung von Hartz-IV-Empfängern sei kontraproduktiv. Sie fördere Kriminalität und Obdachlosigkeit.

13 Fakten zu Hartz IV
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Foto: dpa, Oliver Berg

Rund 1,5 Milliarden Euro büßten Hartz-IV-Bezieher in den vergangenen sieben Jahren wegen Sanktionen ein. 2014 bekamen die Betroffenen im Schnitt 107 Euro weniger - die Sanktionen machten 182 Millionen Euro aus. Das geht aus einer Antwort der Bundesagentur für Arbeit (BA) an die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Linke) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende beträgt monatlich 399 Euro.

Sanktionen werden etwa verhängt, wenn Betroffene Arbeits- oder Ausbildungsangebote ablehnen, Vorgaben des Jobcenters missachten oder sonstige Maßnahmen verweigern. Trotz langanhaltenden Widerstands der CSU wollen Union und SPD im Bundestag die Regeln dafür nun vereinfachen.

Reform geplant

"Wir peilen an, eine Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und Rechtsvereinfachungen für Langzeitarbeitslose im Herbst auf den Weg zu bringen", sagte der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling, der dpa. Für junge Menschen sollten Sanktionen nicht wegfallen, aber "vernünftig" gestaltet werden. "Die Jobcenter sollen durch die Rechtsvereinfachungen von Bürokratie entlastet werden und sich verstärkt um Langzeitarbeitslose kümmern."

Die SPD-Sozialexpertin Katja Mast sagte der dpa, jüngere Arbeitslose sollten bei Sanktionen künftig so behandelt werden wie ältere. "Außerdem müssen wir die Sinnhaftigkeit der Sanktionen bei Geldern für die Unterkunft infrage stellen." Statt Menschen in Arbeit zu bringen, drohe bei der Kürzung von Mietkostenzuschüssen Obdachlosigkeit und eine weitere Entfernung vom Arbeitsmarkt.

Sanktionen fördern Kriminalität

Sozialverbände beklagen, dass gerade viele junge Menschen wegen Sanktionen gar nicht mehr im Jobcenter vorstellig werden und sich stattdessen auf eigene Faust durchschlagen - notfalls kriminell. Rund 20.000 junge Menschen sollen nach Schätzungen aus der Betreuung von Jobcenter oder Jugendamt herausgefallen sein.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte bereits vor einem Jahr Sanktionsvereinfachungen vorgeschlagen. Unter-25-Jährige sollten etwa nicht mehr strenger behandelt werden als Ältere. Bayern hatte aber seine Ablehnung klargemacht. CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich später auch öffentlich gegen Sanktionsentschärfungen gestellt.

ALG-II-Kürzungen verfassungswidrig

Linke-Fraktionsvize Zimmermann sagte der dpa: "Die Sanktionen verstoßen insbesondere gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum."

Das Sozialgericht Gotha in Thüringen hatte die ALG-II-Kürzungen im Mai als verfassungswidrig eingestuft. Die Menschenwürde werde angetastet, Leib und Leben gefährdet. Nun soll das Bundesverfassungsgericht den Bereich prüfen. Das Gericht urteilte in einem Fall, bei dem einem Mann das ALG II um 30 Prozent gekürzt wurde, nachdem er eine Arbeit abgelehnt hatte - und erneut um 30 Prozent nach Ablehnung einer Probetätigkeit.

Schiewerling machte deutlich, dass die Koalition auch weitere Schritte gegen die Langzeitarbeitslosigkeit plane. "Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die von der guten Konjunktur nicht profitieren." Ein Konzept der CDU/CSU-Fraktion sieht etwa vor, dass die Jobcenter Arbeitgebern die Einstellung etwa von Betroffenen mit gesundheitlichen Hemmnissen erleichtern.

(dpa)
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