Reformstart verlief "relativ ruhig" Hartz IV-Beginn: Nur wenig Zoff

Berlin (rpo). Der große Protest war angekündigt, doch er blieb aus: Mit dem Start der Arbeitsmarktreform Hartz IV zeigten sich die Arbeitsagenturen zufrieden. "Das neue Jahr begann relativ ruhig", fasste BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt am Montag zusammen. Einzig in Berlin gab es handfesten Zoff (siehe Bildershow).

Hartz IV-Beginn: Handfester Zoff vorm Arbeitsamt
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Hartz IV-Beginn: Handfester Zoff vorm Arbeitsamt

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Es kamen weniger Menschen als erwartet wegen der fehlerhaften Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II auf die Ämter. Dennoch machten in 83 Städten Erwerbslose mobil und riefen zur Belagerung der örtlichen Arbeitsagenturen auf. Rund 15.000 Menschen beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren an der Protestaktion gegen Hartz IV. Die Polizei zählte allerdings nur mehrere hundert Personen.

Nach den Wünschen der Veranstalter sollen sich die Proteste ähnlich wie im Sommer zu massenhaften Montagsdemonstrationen mit mehreren hunderttausend Teilnehmern ausweiten. Auf einen Neuanfang der sozialen Protestwelle hoffen sie. "Es war ein bescheidener Anfang", gab Thomas Rudolph, einer der Koordinatoren der Leipziger Montagsumzüge, zu. Aber die Aktion habe gezeigt, dass die Menschen sich organisierten und ihrem Unmut Luft machten.

Bei den Protesten in Berlin ist es zu Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Rund 400 Menschen hatten sich am Montagmorgen vor der Arbeitsagentur im Bezirk Wedding versammelt und versucht, in das Gebäude einzudringen, wie die Polizei mitteilte. Danach sei es zu kleineren Ausschreitungen zwischen Beamten und den teils vermummten Demonstranten gekommen.

Die Beamten versuchten den Angaben zufolge, die Protestierer hinter die polizeiliche Absperrung zurückzudrängen. Dabei wurde auch Pfefferspray eingesetzt. Mehrere Personen wurden nach Polizeiangaben vorläufig festgenommen.

Teils nur Dutzende Protestierer

In manchen Orten fanden sich nur ein Dutzend Protestierer vor den örtlichen Agenturen ein, die meist friedlich vor und in den Ämtern gegen Hartz IV demonstrierten. Zu kleineren Rangeleien zwischen Polizei und Reformgegnern kam es in Berlin vor der Arbeitsagentur im Stadtteil Wedding. Rund 400 teils vermummte Demonstranten versuchten, die Polizeiabsperrung zu durchbrechen und in die Agentur einzudringen. Die Beamten setzten Pfefferspray ein und nahmen rund 15 Demonstranten vorläufig fest. In der Silvesternacht hatten schon Randalierer das Gebäude mit roten Farbbeuteln beworfen.

In Städten wie Flensburg, Düsseldorf, Hamburg, Magdeburg, Mainz und Rostock verteilten die Reformgegner Flugblätter, postierten sich in den Fluren der Agenturen oder riefen von Infoständen die Agenturbesucher zu Unterschriftenaktionen auf. In Dortmund versammelten sich 350 Menschen in der dortigen Agentur, in Bremen folgten 150 dem Aufruf. Doch in manchen Orten fiel die Bilanz der bundesweiten Aktion eher bescheiden aus. In Erfurt beispielsweise kam nur eine Handvoll Protestierer. Auch in Leipzig, der Stadt, in der die Montagsdemonstrationen initiiert wurden, folgten nur 50 Menschen dem Protestaufruf.

Zu den Initiatoren der Initiative Agenturschluss gehört auch der Berliner Professor an der Freien Universität, Peter Grottian. Er macht eine "fehlende Kultur der sozialen Proteste" für das verhaltene Echo bei den Anti-Hartz-Protesten verantwortlich. Die Arbeitsagenturen hätten sich die Reformgegner "sehr bewusst" als Anlaufstelle der Proteste ausgesucht, weil sie die "Ekstase der Bürokratie" darstellten, begründete der umtriebige Sozialwissenschaftler seine Engagement. In der Bundesagentur seien 90.000 Mitarbeiter beschäftigt. Davon seien nur 10.000 für die Vermittlung der Arbeitslosen zuständig, zählt er auf. Solch ein Apparat verwalte nur die Arbeitslosigkeit, schaffe aber keinen einzigen neuen Arbeitsplatz.

Geringe Nachfrage nach Barauszahlung

Zu Beginn eines neuen Jahres ist bei den Arbeitsagenturen traditionell Hochbetrieb. Viele Menschen werden zum Jahresende entlassen und melden sich arbeitslos. Dennoch blieb der erwartete Ansturm aus. Außerdem erschienen weniger Erwerbslose als erwartet in den Agenturen, um sich das verspätete Arbeitslosengeld II abzuholen. "Bis zum Montagmittag kamen bundesweit 300 Menschen, um sich das Geld in bar auszahlen zu lassen", sagte ein Sprecher der Nürnberger Behörde.

Auch wenn die Kreditinstitute auf den Computerfehler bei der Überweisung des Arbeitslosengeldes II schnell reagierten, hatten etliche zu Wochenbeginn noch kein Geld auf dem Konto. Wegen eines Computerfehlers waren teilweise falsche Kontonummern an Banken und Sparkassen weitergeleitet worden. Betroffen waren 1,8 der 2,8 Millionen Anträge. In den nächsten Tagen soll das Geld aber auf jeden Fall bei den Empfängern sein.

(ap)
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