Erste Abstimmungsniederlage Harte Landung der Union im Bundestag

Berlin · Die Union ist gleich in der zweiten Sitzung des neuen Bundestages schmerzhaft deutlich auf dem harten Boden der Oppositionsrealitäten angekommen. Obwohl AfD und Linke sie in ihrem Anliegen stützten, einen Sitz mehr im wichtigen Hauptausschuss zu bekommen, überstimmten SPD, Grüne und FDP das Ansinnen.

Am Rande der Sitzung verständigen sich Annalena Baerbock, Robert Habeck und Olaf Scholz im Plenarsaal des Bundestages.

Am Rande der Sitzung verständigen sich Annalena Baerbock, Robert Habeck und Olaf Scholz im Plenarsaal des Bundestages.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Wer es neun Jahre lang gewohnt ist, der Opposition mit süffisantem Lächeln zu erklären, warum es so läuft, wie die unionsgeführte Koalition es will, der braucht eben mehr als einen Moment, um sich nach einer alles verändernden Wahl in seine neue Rolle hineinzufinden. Michael Grosse-Brömer ist zwar immer noch Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und sein süffisantes Lächeln hat er an diesem Donnerstag zu Beginn der zweiten Sitzung des Bundestages auch wieder angeknipst. Aber dieses Mal erlebt die Union zum ersten Mal, dass es nicht mehr so läuft, wie sie sich das vorgestellt hat.

Eigentlich geht es um nicht viel: Dass der Bundestag eine halbe Stunde später die von der Verfassung vorgesehenen Fachausschüsse für Wahlprüfung und Petitionen bilden und einen umfassenden Hauptausschuss vorübergehend installieren wird, ist Konsens im Parlament. Grosse-Brömer klopft sich dabei selbst noch einmal auf die Schulter: 2013 und 2017 habe sich die Union dieses Gremium „ausgedacht“, um so lange das Parlament arbeitsfähig zu haben, wie die neue Regierung noch nicht gebildet ist und die parallel zu den Ministerien geformten Fachausschüsse noch nicht existieren. Seinerzeit hätten Teile der jetzigen Ampel-Fraktionen dieses Ansinnen für verfassungswidrig gehalten, und so kommt Grosse-Brömer ein bisschen Stolz durchs Knopfloch, dass es nun die Ampel-Fraktionen sind, die einen Hauptausschuss beantragen.

Damit hört es aber auch schon auf mit dem Stolz. Was die neue Mehrheit vorhat, empfindet der Regisseur der Unionsarbeit im Parlament als „glaube ich, nicht die richtige Art, mit uns umzugehen“. Mit Nachdruck wirbt Grosse-Brömer für einen Hauptausschuss mit 38 Mitgliedern. Er müsse schließlich die ganze Bandbreite der Themen abdecken, und so müssten auch ganz viele Fachpolitiker sich für den Fall bereit halten, dass über ihr Spezialgebiet zu beraten ist. Aus diesem Grund habe der Hauptausschuss vor vier Jahren ja auch aus 47 Abgeordneten bestanden. Deshalb sei es nicht nachzuvollziehen, dass die Ampel nun ein Gremium mit nur 31 Mitgliedern wolle.

Grosse-Brömer vermutet, dass den Ampelfraktionen angesichts von Koalitionsverhandlungen mit fast 300 Beteiligten das Personal fehle, und kritisiert daher, dass der Ampel „der Koalitions-Fahrplan wichtiger ist als seriöse Parlamentsarbeit“. Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann kontert mit dem Hinweis, dass für den Hauptausschuss dieses Mal nur zwei Sitzungen und zwei Anhörungen zu zwei Themen geplant seien. Das sei 2017 angesichts der sich über Monate dahinschleppenden Regierungsbildungsversuchen ganz anders gewesen.

Der springende Punkt wird von keinem Redner angesprochen: Es geht um die Optik und das Selbstwertgefühl. Bei einer 31er-Ausschussgröße entfallen auf die SPD neun Sitze, auf die Union acht. Hätte der Ausschuss 38 Mitglieder, würde die SPD elf Mitglieder haben, die Union aber auch. Das wäre eine Augenhöhe, die Union nicht deutlicher Wahlverlierer. Klar, dass die Union sich an diesen Strohhalm zu klammern versucht. Genauso klar aber auch, dass die SPD ihren Sieg auch sichtbar machen will.

Gewöhnungsbedürftig für die Union ist an diesem Donnerstag zudem, dass ihr sowohl die äußersten Rechte, als auch die äußerste Linke beispringt. AfD und Linke unterstützen den Unions-Antrag auf Vergrößerung. Er finde schon, dass sich die beiden demokratischen Oppositionsfraktionen gegenseitig unterstützen müssten, erklärt Linken-Fraktionsgeschäfsführer Jan Korte - und fügt hinzu, dass die Union Oppositionsarbeit von den Linken lernen könne. „Auf eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit in der Opposition“, lautet seine Einladung an die Union. Die ist über diese ungewohnte Konstellation aus AfD, CDU, CSU und Linken ziemlich konsterniert und muss sich diesem Schicksal fügen, als es zur Abstimmung kommt und sie in dieser Wahlperiode mit ihrem Antrag erstmals baden geht.

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