Integrationstalk bei "Hart aber fair" Uwe Hück redet bei Plasberg alle an die Wand

Düsseldorf · Das Thema Flüchtlinge steht bei "Hart aber fair" zwar wieder auf der Agenda, doch diesmal geht es nicht um die Kanzlerin, sondern um Integration. Und das ganz ohne Schönrederei. Insbesondere ein Praktiker lässt die anwesenden Politiker blass aussehen. Der Talk im Schnellcheck.

 Uwe Hück redete bei Plasberg alle an die Wand.

Uwe Hück redete bei Plasberg alle an die Wand.

Foto: Screenshot Youtube

Darum ging's

"Jung, männlich, ungebildet? Der Integrationscheck" lautete der Titel der Sendung. Und Moderator Frank Plasberg macht gleich zu Beginn deutlich, dass er sich von den vergangenen Talks abheben will: Bei Anne Will mit Merkel sei es um die großen Linien gegangen, heute gehe es um die Praxis, sagt er. "Aber welche Chancen haben Flüchtlinge überhaupt auf dem Arbeitsmarkt? Und haben sie das Wissen und den Willen zu bestehen?", fragt Plasberg. Der Einspieler zu Beginn der Sendung jedenfalls lässt aufhorchen: Laut Handwerkskammer haben von 144 Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran 66 Prozent ihre Lehre abgebrochen. Einig ist sich die Runde, dass keine leichte Aufgabe vor uns liegt. Und die Probleme werden in der Sendung klar angesprochen.

Die Runde

Uwe Hück, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG sagt: "Wir brauchen Flüchtlinge, denn sie sichern unseren Wohlstand." Grünen-Chef Cem Özdemir sagt, es braucht Integrations- und Sprachkurse sowie Jobs. Die bayerische Arbeits- und Integrationsministerin sagt ebenfalls: "Ohne Sprache gibt es keine Integration." Und wer dauerhaft bleiben wolle, müsse dafür auch etwas tun. Der Wirtschafts- und Bildungsforscher Ludger Wößmann von der Uni München sagt klar, dass ein Großteil der Flüchtlinge nicht ausreichend qualifiziert ist, und Petra Bosse-Huber, Auslands-Bischöfin der Evangelischen Kirche macht deutlich: Kein Flüchtling kann sich von heute auf morgen integrieren. Zudem war der Bürgermeister von Templin, Detlef Tabbert, im Einzelgespräch zu Gast, der über seine Erfahrungen mit Flüchtlingen in seiner Stadt sprach.

Die Beispiele aus der Praxis

Plasberg zeigte in seiner Sendung zwei Beispiele von Flüchtlingen. Da war zum einen Asif aus Afghanistan, der ein Praktikum in Templin abgebrochen hatte, weil es ihm zu anstrengend war, acht Stunden zu stehen und Holz zu stapeln. Er sei immer müde gewesen nach der Arbeit, erzählt der junge Mann im Film, und habe keine Energie mehr fürs Fußballtraining gehabt, das habe er nicht gewollt. In Afghanistan habe er ein halbes Jahr in einer Bank gearbeitet. Porsche-Mann Hück nennt Asif einfach faul, Bosse-Huber wiederum sagt, sie kenne viele deutsche Jugendliche, die sich genauso benehmen würden. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Clemens aus Ghana — ein Wirtschaftsflüchtling. Er hat eine deutsche Ziehmutter, wollte unbedingt eine Ausbildung machen, ihm stellten sich aber viele rechtliche Hürden in den Weg. Inzwischen macht er eine Malerlehre, ist mit vollem Einsatz dabei, und sein Chef lobt ihn. Ob Clemens aber bleiben kann, ist fraglich.

Frontverlauf

Einig ist sich die Runde, dass es viel Zeit, Geld und Geduld braucht, damit die Integration der Flüchtlinge tatsächlich gelingen kann. Und Einigkeit herrscht auch, dass das Erlernen der deutschen Sprache das A und O ist, aber es insbesondere auf diesem Feld vielerorts hakt. Wößmann ist der Mann, der die Zahlen liefert. Mit Verweis auf Studien sagt er, dass viele der Flüchtlinge unter dem Bildungsniveau deutscher Jugendlicher liegen und fordert eine Art Zwischenlösung: Ausbildung mit weniger Theorie und mehr Praxis, damit die jungen Menschen zumindest ein Stück weit gelernt sind und überhaupt in den Arbeitsmarkt rein kommen. Zudem verweist er darauf, dass die Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt meist nicht mit Deutschen konkurrieren, sondern mit Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Deutschland sind.

Bosse-Huber wiederum verweist auf die kulturellen Probleme. So sagt sie, dass es zum Beispiel im Pflegebereich schwierig ist, Flüchtlinge zu gewinnen — für eine Arbeit, die von diesen als niedere Tätigkeit und als Arbeit für Frauen angesehen wird. Deshalb bräuchten diese Menschen Begleitung — "viel Mensch", wie sie sagt — um ein anderes Verständnis zu entwickeln. Die bayerische Ministerin Müller bleibt ziemlich blass, gibt Sätze wie "Ohne Sprache gibt es keine Integration" von sich, und dass es eben keinen Masterplan für Integration gibt. Und auch Cem Özdemir, dem es vor allem ein Anliegen ist, "Hindernisse am Arbeitsmarkt zu beseitigen", bleibt eher farblos — was die beiden Politiker vor allem Uwe Hück zu verdanken haben.

Uwe Hück schaffte es recht schnell, das Publikum auf seine Seite zu ziehen — weil er kein Blatt vor den Mund nimmt und mit einfachen, aber wirksamen Aussagen punktet. Er sagt, die deutsche Wirtschaft braucht angesichts des Fachkräftemangels Flüchtlinge. Dass es aber Probleme bei der Integration gibt, da mache auch er sich nichts vor. Doch er stellt klar: "Flüchtling ist kein Beruf, sondern etwas Schreckliches" und man müsse aufhören zu sagen, dass eine Nationalität darüber entscheide, ob ein Mensch doof sei oder nicht. Für ihn jedenfalls steht fest: "Keiner kann dumm genug sein, um keine Ausbildung zu machen, das ist eine Ausrede." Hück sagt, junge Leute — ob nun Flüchtling oder nicht — bräuchten vor allem eins: klare Ansagen. "Mit Wattebällchen kommt man da nicht weiter", sagt er. Und in Bezug auf die Flüchtlinge merkt er an, sie müssten lernen: "In Deutschland schwitzt das Trikot nicht allein, sondern du musst schaffe." Und wenn man ihnen das beibringe, dann machten sie auch mit. "Aber wenn wir ständig schimpfen und gegen sie hetzen, dann haben sie keinen Bock mehr."

Die Grünen befinden sich im Wahlkampf — vor allem in Baden-Württemberg, wo sie den Ministerpräsidenten stellen. Und das merkt man Cem Özdemir, der das Bundesland über den grünen Klee lobt, auch ein wenig an. Doch Plasberg grätscht ihm immer wieder dazwischen. Das zeigt sich auch am Ende, als Plasberg die Runde fragt, wenn sie als Flüchtling einen Praktikumsplatz machen wollten, wen sie denn als Chef haben wollen würden. "Herr Özdemir, Sie müssen jemanden wählen", sagt Plasberg da in Richtung des Grünen-Chefs. "Aber Herr Kretschmann steht nicht zur Wahl."

Satz des Abends

Der kam fast schon erwartbar von Uwe Hück, als er auf den Flüchtling Asif einging. Wenn einer nicht acht Stunden durchhalte, "ja welche Arbeit soll ich dem denn geben? Die können doch nicht alle Politiker werden", sagt er — und hat damit die Lacher aller auf seiner Seite. Selbst Özdemir neben ihm kann darüber herzlich lachen, und beide liegen sich dann in den Armen.

Erkenntnis

Ja, vor uns liegt eine Mammutaufgabe — das war schon vor der Sendung klar. Doch es war tatsächlich mal ein Talk, der einem die Probleme wirklich näher brachte. Insbesondere die Zahlen, die Wößmann vorlegte, waren erhellend. Und die Ansichten des Praktikers Hück gaben einen guten Einblick in die tatsächliche Arbeitswelt. Rundum gelungen aber wäre die Sendung, wenn die beiden Flüchtlinge auch zu Gast gewesen wären — und sich hätten erklären können.

(das)
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