Querkopf und linker Mahner Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ist gestorben

Berlin · Er war Revoluzzer, RAF-Anwalt und Mitbegründer der Grünen. Ein sensationeller Wahlsieg machte Hans-Christian Ströbele zur Parteilegende. Nun ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.

Hans-Christian Ströbele: Sein Leben in Bildern
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Bilder aus dem Leben von Hans-Christian Ströbele

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Foto: dpa/Britta Pedersen

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ist tot. Er starb am Montag im Alter von 83 Jahren, wie sein Rechtsanwalt Johannes Eisenberg am Mittwoch mitteilte. Der frühere RAF-Anwalt Ströbele, dessen Markenzeichen ein roter Schal, leuchtend weiße Haare und sein Fahrrad waren, war 2002 als erster Grüner per Direktmandat im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in den Bundestag gewählt worden und ging damit in die Parteigeschichte ein. Ströbele hatte die Grünen mitgegründet und saß 21 Jahre lang im Bundestag.

Erst 2017, mit 78 Jahren, war er aus der aktiven Politik ausgestiegen, betrieb seine Anwaltskanzlei in Berlin aber zunächst weiter. Vor seiner Zeit bei den Grünen war er aktiv in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Gemeinsam mit dem späteren Bundesinnenminister Otto Schily und dem späteren Rechtsextremisten Horst Mahler verteidigte er als Anwalt erst Aktivisten der Studentenbewegung, dann auch Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF).

Der Sohn eines Chemikers aus Halle an der Saale war eine Symbolfigur vor allem des linken Flügels der Grünen und scheute Auseinandersetzungen auch mit den eigenen Parteifreunden nie - etwa mit dem früheren Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer. So war Ströbele gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die Hartz-IV-Reformen. Im Parlament stimmte er immer wieder gegen die Linie seiner Fraktion. In den letzten Jahren im Bundestag hatte Ströbele sich unter anderem intensiv dem Thema Geheimdienste gewidmet und mit einem Besuch bei US-Whistleblower Edward Snowden in Moskau Schlagzeilen gemacht.

Der Ukraine-Krieg war für Ströbele nach eigener Aussage ein Schock. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Putin so dumm ist und so unverschämt alle Staatsoberhäupter im Westen belogen hat“, sagte er der „Neuen Zürcher Zeitung“. Dennoch sei er „nach einigem Zögern“ zu dem Schluss gekommen: „Es ist richtig, der Ukraine Waffen zu liefern. Defensivwaffen, so etwa Panzerfäuste“, wie er im Mai dem „Spiegel“ sagte. Er sei aber strikt gegen die Lieferung schwerer Waffen. Wenn die ukrainische Armee Geländegewinne erziele, werde Putin am Ende vielleicht sogar taktische Atomwaffen einsetzen.

Seiner Partei hielt er bei aller Kritik bis zuletzt die Treue. Säße er noch im Bundestag, dann „natürlich bei den Grünen“, sagte er dem „Spiegel“. „Und wie die es von mir gewohnt sind, würde ich mich störend zu Wort melden. Weil es so verrückt ist, wie man in diesen Tagen mit Krieg und Frieden umgeht. Das macht mich zornig.“

Rechtsanwalt Eisenberg schrieb in seiner Mitteilung: „Er hat selbst entschieden, dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankung zugemutet hat, nicht mehr fortsetzen wollte und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert. Er war bis zuletzt bei vollem Bewusstsein. Nicht der Geist, der Körper wurde ihm zur Qual und hat ihn am 29. August 2022 verlassen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den verstorbenen Grünen-Mitbegründer gewürdigt. „Sein Antrieb war, Politik zu machen und die Gesellschaft zu verändern“, schrieb Scholz am Mittwoch auf Twitter. „Mit Christian Ströbele verliert Deutschland einen streitbaren Politiker, der die politische Debatte über Jahrzehnte mitgeprägt hat. Meine Gedanken sind bei seiner Familie.“ Ströbele war am Montag im Alter von 83 Jahren gestorben.

(mba/cwi/dpa)
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