Hamburg-Wahl SPD feiert frenetisch jubelnd ihren ersten Wahlsieg seit Langem

Hamburg/Berlin · Von Hamburg gehe auch ein „Push“ für die Sozialdemokraten im Bund aus, sagt Vizekanzler Scholz. Die SPD kann die Grünen auf Abstand halten.

 SPD Spitzenkandidat und Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und seine Ehefrau Eva-Maria jubelen nach der ersten Prognose auf der Wahlparty seiner Partei.

SPD Spitzenkandidat und Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und seine Ehefrau Eva-Maria jubelen nach der ersten Prognose auf der Wahlparty seiner Partei.

Foto: dpa/Axel Heimken

„Peter, Peter, Peter“ skandieren sie um kurz nach 18 Uhr in der prall gefüllten Hamburger Markthalle. Der Jubel bei den Genossen ist frenetisch, als die erste Prognose für die Bürgerschaftswahl an die Wand geworfen wird. 37,5 Prozent für die SPD und ihren Spitzenkandidaten Peter Tschentscher, den amtierenden Ersten Bürgermeister. Die SPD verliert zwar gegenüber der letzten Wahl acht Prozentpunkte, doch hält sie die Grünen (25,5 Prozent in der ersten Prognose) deutlicher auf Abstand, als viele erwartet hatten. Zudem sei die AfD voraussichtlich raus aus der Bürgerschaft, besagt die Prognose noch. „Nazis raus!“, rufen  die Genossen.

Eigentlich hätte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in Saudi-Arabien noch über dem Abschluss-Kommuniqué der Finanzminister der 20 wichtigsten Industrienationen brüten müssen, doch Scholz zog es vor, am Sonntag schneller nach Deutschland zurückkehren: Scholz wollte unbedingt in Hamburg dabei sein, wenn nach 18 Uhr die ersten Prognosen für die Bürgerschaftswahl eintreffen. Scholz, der sich Hoffnungen macht, 2021 SPD-Kanzlerkandidat zu werden, wollte sich mit Tschentscher, der das Amt des Bürgermeisters 2018 von Scholz übernahm, ein wenig vom Glanz dieses SPD-Wahlsiegs teilen. Wenige Minuten nach 18 Uhr sagt Scholz vor Kameras in Hamburg: „Ich bin superglücklich.“

Dass der Sieg allerdings so klar ausfällt, hatten selbst Optimisten im Willy-Brandt-Haus nicht erwartet. Nach vielen Niederlagen und weiter sinkenden Umfragewerten auf Bundesebene sind die Sozialdemokraten demütig geworden. Der fulminante Sieg Tschentschers ist zwar den besonderen Hamburger Bedingungen geschuldet. In der Hansestadt regierte die SPD in der Nachkriegszeit fast alle Jahre, unterbrochen nur zwischen 2001 und 2011. Doch der Sieg Tschentschers hilft, den gebeutelten Genossen auch auf Bundesebene neues Selbstbewusstsein einzuhauchen. „Das ist ein Push für die SPD im Bund“, sagt Scholz.

 Allerdings ist der Wahlsieg des pragmatischen SPD-Bürgermeisters auch ein Sieg gegen den linken Kurs der neuen SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Tschentscher hatte beide nicht eingeladen, in Hamburg am Wahlkampf teilzunehmen und auch mehrfach offen andere Positionen vertreten. Walters-Borjans und Esken ließen ihren Ankündigungen eines stärkeren Linkskurses allerdings bisher kaum Taten folgen. In der großen Koalition in Berlin geben auch sie sich pragmatisch. Doch auch Walter-Borjans ist stolz nach dem Hamburger Erfolg. Mit einem solchen Ergebnis habe man vor einiger Zeit noch nicht rechnen können, sagt er in Berlin. Noch im November sei die SPD deutlich schwächer dagestanden.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), jedenfalls sieht in Tschentschers Politik ein Vorbild auch für die SPD im Bund. „Peter Tschentscher und seine SPD haben alles richtig gemacht. Politik zahlt sich aus, wenn sie die wichtigsten, brennendsten Themen immer im Blick hat", sagt sie. Sie nennt den Wohnungsbau für bezahlbare Mieten, sozial-ökologisches Handeln, fortschrittliche Wirtschaftspolitik, sehr gute Bildungspolitik und gebührenfreie Kitas. "Die SPD in Hamburg ist Volkspartei, weil es ihr um alle im Stadtstaat geht und alle im Blick hat", sagt Dreyer.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) ist überzeugt, dass die SPD mit einer Politik à la Tschentscher auch anderswo wieder erfolgreich sein kann. „Das ist ein großartiger Erfolg für Peter Tschentscher und die Hamburger SPD. Er zeigt: Gute und verlässliche Regierungsarbeit zahlt sich aus“, sagte Schwesig. Die SPD habe in Hamburg gleichermaßen auf wirtschaftliche Stärke, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung gesetzt und mit Peter Tschentscher einen überzeugenden Spitzenkandidaten gehabt. „Das ist der Weg, mit dem die SPD erfolgreich sein kann“, sagt sie.

Hauptkonkurrenten der SPD in Hamburg waren die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Katharina Fegebank. Die 42-jährige Wissenschaftssenatorin gehört zu den pragmatischen Realos ihrer Partei. Sie warb im Wahlkampf für eine schellere Klima-Wende, doch Tschentscher nahm ihr dieses Thema geschickt aus den Händen. „Grüner wird´s nicht“ ließ er plakatieren – und signalisierte damit, dass Klimaschutz auch machbar bleiben müsse. Das traf einen Nerv bei vielen Bürgern, die sich von zu viel Klimaschutz auf einmal überfordert fühlen.

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