Räumungen im Hambacher Forst „Die machen unser Zuhause kaputt“

Hambach · Im Hambacher Forst bei Jülich spitzt sich die Lage zu. Polizei und Waldbesetzer bereiten sich auf die Rodungen vor. Am Mittwoch gab es erste Räumungen. Vor Ort war die Stimmung angespannt. Ein Lagebericht.

Hambacher Forst: Bilder der Räumung der Barrikaden vom September 2018
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Polizei rückt in besetzten Hambacher Forst vor

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Foto: dpa/Oliver Berg

Nils* hängt gut gesichert in den Seilen, die zwei Baumhäuser fünf Meter über dem Boden miteinander verbinden. Der junge Mann blickt auf die vielen Sicherheitskräfte von RWE herunter, die mit Baggern und schwerem Gerät allen möglichen Unrat abtransportieren und Barrikaden einreißen. Nils ist von Anfang an dabei, hat das Protestcamp und die Baumhäuser im Hambacher Forst mit aufgebaut. Er scheint keiner von denen zu sein, die auf Krawalle aus sind. Er schreit nicht herum. Und er beschimpft und beleidigt auch niemanden. Der Wald sei schützenswert, sagt er stattdessen. Deswegen sei er da.

„Die Leute machen jetzt aber unser Zuhause kaputt“, sagt er mit Blick auf die Mitarbeiter des Energiekonzerns zu seinen Füßen. „Das macht mich schon sauer.“ Hoffnung bereite ihm lediglich die Tatsache, dass noch nicht alles zerstört sei. Und dass die geplanten Rodungen noch gestoppt werden könnten. „Es ist noch nicht klar, ob sie roden dürfen“, sagt er kämpferisch.

Bedrückte Stimmung im Camp

Im Hambacher Forst, der seit mittlerweile sechs Jahren besetzt ist, herrscht eine bedrückte Stimmung. Je näher der 1. Oktober rückt, desto angespannter wird die Lage im Camp. Denn ab diesem Tag darf gerodet werden – sollten die Gerichte nicht doch noch eine andere Entscheidung treffen. Aber danach sieht es nicht aus. Alles scheint auf eine massive Konfrontation zwischen den Besetzern und der Polizei zuzulaufen, bei der man sich auf den größten polizeilichen Einsatz in der Nachkriegsgeschichte in Nordrhein-Westfalen vorbereitet. „Von den Baumhäusern und dem Wald wird nichts übrig bleiben. Da müssen wir uns nichts vormachen“, heißt es aus Polizeikreisen. Seit Wochen laufen die Vorbereitungen. Und das auf beiden Seiten. Krawallmacher aus ganz Europa, die laut Polizei „vor nichts zurückschrecken“, sollen anreisen und zum Teil sogar schon im Hambacher Forst sein. „Es gehört beinahe schon zum Alltag, dass Polizisten nachts im Wald mit Steinen und Molotow-Cocktails beworfen werden“, sagt Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach. In der vergangenen Woche sei ein Polizist mit einer Metallzwille beschossen worden. Er habe eine Platzwunde am Kopf erlitten.

Betreten auf eigene Gefahr

Der Hambacher Forst ist von der Polizei zu einem gefährlichen Ort erklärt worden. Personen können ohne konkreten Verdacht von der Polizei kontrolliert werden. Betreten nur auf eigene Gefahr, heißt es. Am Mittwoch sind alle Straßen rund um den Wald von der Polizei abgesperrt. Gelegentlich werden Fahrzeuge angehalten. Die Polizei fürchtet, dass Waffen in den Wald geschmuggelt werden könnten.

Als die privaten Sicherheitskräfte von RWE gemeinsam mit der Polizei zum „Aufräumen“ in den Forst kommen, urinieren einige Besetzer von den Bäumen herunter auf sie, schmeißen Fäkalien. Vereinzelt fliegen Steine. Die Einsatzkräfte tragen Schutzhelme und Schutzschilde. Mindestens drei Demonstranten werden festgenommen, darunter zwei Frauen. Dann beruhigt sich die Lage.

Am Mittwoch bleibt es friedlich

Die Polizei ist sichtlich darum bemüht, sich nicht provozieren zu lassen und aufkeimende Konflikte oder Scharmützel friedlich zu lösen. Das gilt – bis auf die genannten Ausnahmen – auch für den Großteil der Rodungsgegner, die vermummt in den Bäumen hängen. Sie tun zwar lautstark ihren Unmut kund, beleidigen die Beamten, nennen sie Lügner und fordern mit einem Lautsprecher den Abzug der Polizei. Steine werden aber nicht mehr geworfen. Vielmehr skandieren die Waldbesetzer: „Hambi muss bleiben!“.

Vereinzelt sind am Mittwoch auch Anwohner aus den umliegenden Gemeinden bei Kerpen in den Forst gekommen. Aus Hambach, Morschenich und Ellen. Diejenigen, die da sind, unterstützen die Gegner der Rodungen. „Aber die Meinungen darüber gehen in den Dörfern durchaus auseinander. Schließlich wohnen dort auch viele RWE-Mitarbeiter“, sagt Anwohner Herbert Meister. „Mir selbst war das lange egal. Aber jetzt, wo das Ende näher rückt, will ich doch, dass der Wald bleibt.“

*Name geändert

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