Minister Robert Habeck in Washington Mission Schadensbegrenzung
Washington · Robert Habeck ist zu Besuch in Washington. Er und sein französischer Amtskollege sind in den USA in heikler Mission unterwegs – es gilt die Folgen des Inflation Reduction Act abzumildern. Dabei hat eigentlich nur die EU-Kommission das Mandat zu verhandeln. Was also bringt der Trip des Vizekanzlers?
Die Geschichte ist etwas paradox. Ausgerechnet der Klimasünder USA beschließt im vergangenen Jahr ein riesen Investitionsprogramm im Kampf gegen den Klimawandel und zur Unterstützung grüner Technologien. Den so genannten Inflation Reduction Act. Und ausgerechnet dieser bringt die Europäer so auf die Palme, dass der deutsche grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck zur Krisenmission nach Washington eilt. Schadensbegrenzung ist das Ziel.

Vizekanzler, Wirtschaftsminister, Schriftsteller - Das ist Grünen-Politiker Robert Habeck
Gemeinsam mit dem französischen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire will man die Folgen des Inflation Reduction Act möglichst gering halten. Doch der Erfolg in den USA ist ungewiss. Reden bringt immer etwas, so die Haltung des Grünen-Politikers. Doch im Streit um die US-Subventionen im Kampf gegen den Klimawandel sind die Fronten schon ziemlich verhärtet. Die umfangreichen US-Fördermittel sorgen in der EU bereits seit Monaten für Unmut. Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heißt es häufig, die EU wolle von den USA nicht schlechter behandelt werden als etwa Kanada oder Mexiko. Kann Habeck den wirtschaftspolitischen Knoten lösen?
Der Name des Gesetzes ist tatsächlich ein wenig irreführend, geht es doch in erster Linie um massive Investitionen in den Klimaschutz und den Gesundheitssektor. Das Paket hat ein Gesamtvolumen von rund 430 Milliarden Dollar, davon sind 370 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Energiesicherheit vorgesehen. Finanziert wird das Paket unter anderem durch höhere Steuern für große Unternehmen und eine Stärkung der Steuerbehörde IRS. Die erwarteten Mehreinnahmen sollen das Haushaltsdefizit und damit auch die Inflation senken. Daher der Name des Gesetzes, der im vergangenen Jahr angesichts eines dramatischen Anstiegs der Verbraucherpreise in den USA für die Biden-Regierung auch politisch opportun war.
In Europa fürchtet man nun aber Nachteile für heimische Unternehmen, weil Subventionen und Steuergutschriften nach dem Inflationsbekämpfungsgesetz daran geknüpft sind, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. So wird der Kauf eines Elektroautos „Made in USA“ etwa mit einer ebenfalls in den USA hergestellten Batterie mit 7500 Dollar gefördert. Subventionen fließen auch an Unternehmen, die Windräder oder Solaranlagen mit US-Stahl herstellen.
Offiziell verhandelt die EU-Kommission diese Fragen mit den USA. Sie sieht für Europa Investitionsbedarf von Hunderten Milliarden Euro in klimafreundliche Technologien, ohne diese Summe genauer zu beziffern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte gerade einen eigenen Plan vorgelegt, den „Green Deal Industrial Plan“. Die EU soll damit attraktiver für Investitionen werden – durch schnellere Genehmigungen und durch geringere Hürden bei der EU-Beihilfenkontrolle. in den Gesprächen zwischen EU und USA wurde immerhin bereits eine Ausnahme für europäische Leasing-Elektroautos für den US-Markt gefunden.
Warum also reisen die beiden Minister aus Deutschland und Frankreich nun in die amerikanische Hauptstadt? Und mit welchem Mandat? Der stille Vorwurf einiger EU-Partner: Die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte wollen sich das Beste für ihre heimische Wirtschaft herausholen.
In der Habeck-Delegation wird darauf hingewiesen, dass man die Reise schon lange geplant habe, unabhängig von allen aktuellen Themen. Und dass Frankreich und Deutschland an einem Strang ziehen sei ja angesichts der wichtigen deutsch-französischen Achse unbedingt erforderlich.
So richtig im Gepäck aber haben die beiden Europäer nichts. Denn politisch und wirtschaftlich trifft das Inflation Reduction Act derzeit die protektionistische Stimmung in den USA ganz gut – auch unter der Regierung des Demokraten Joe Biden. Der sieht sich mit einem republikanischen Kongress konfrontiert und muss sich im aufziehenden Wahlkampf gegen das Mantra des „Make America great again“ der Republikaner behaupten.
Und so geht es eher darum, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, den Nachteil starker Handelsbarrieren der westlichen Partner untereinander aufzuzeigen und die Werbetrommel für die Einigkeit des Westens zu rühren.
Habeck und Le Maire betonen am Dienstag vor den Gesprächen, man sei gemeinsam in der US-Hauptstadt, um die Interessen der europäischen Industrie zu verteidigen und einen fairen Wettbewerb mit den USA sicherzustellen. Die beiden Minister wollten gemeinsam US-Finanzministerin Janet Yellen, die Handelsbeauftragte Katherine Tai und Wirtschaftsministerin Gina Raimondo treffen. Habeck erklärt, man müsse sich den Herausforderungen stellen. „Das heißt eine starke europäische Industrie aufbauen, halten und schützen.“ In den USA würden nun Anwendungsregeln des Gesetzes ausgearbeitet. „Wir haben also ein paar Monate noch Zeit, zu Lösungen zu kommen.“ Zwar führe die EU-Kommission die entsprechenden Verhandlungen, diese wolle man aber unterstützen. In Brüssel wird man sehr aufmerksam zuhören. Und sich fragen, ob am Ende für alle etwas herauskommt.