Parteitag der Linken in Göttingen Gysi: "Das ist ein pathologischer Zustand"

Berlin · Beim Parteitag der Linken in Göttingen hat Fraktionschef Gregor Gysi in einer hoch emotionalen und rhetorisch brillanten Rede seiner Partei ins Gewissen geredet. Seinem Ärger über den zerstrittenen Zustand der eigenen Reihen ließ er freien Lauf.

Die bekanntesten Kandidaten für den Linken-Vorsitz
7 Bilder

Die bekanntesten Kandidaten für den Linken-Vorsitz

7 Bilder

"Ich bin's leid", rief er angesichts der hasserfüllten Kämpfe zwischen Ost und West, zwischen Reformern und Radikalen. Für den Fall, dass es nicht gelinge, bei diesem Parteitag eine "kooperative Führung" zu wählen, wäre es besser "sich zu trennen, als eine verkorkste Ehe zu führen", erklärte Gysi, der einst gemeinsam mit Oskar Lafontaine aus der ostdeutschen Volkspartei PDS und der westdeutschen Protestpartei WASG die Linke geschmiedet hatte.

Mittlerweile ist das Tuch zwischen den beiden zerschnitten. Lafontaine, der direkt nach Gysi sprach, hatte für den Genossen nur einen knappen, kühlen Dank und den Hinweise, dass er Gysi lediglich in einem Satz zustimme und zwar: "Wir haben kein Recht, die Linkspartei zu verspielen." Ein Angebot, wie die Linke aus ihrem zersetzenden Machtkampf herauskommt, hatte Lafontaine freilich nicht.

Im Gegenteil: Er redete nicht, nein, er tobt mit hochrotem Kopf hinter dem Mikrofon, verwahrte sich gegen das Wort "Spaltung", verteidigte die Westlinke gegen die Ostlinke. "Dieses dumme Gerede von der Regierungsunwilligkeit muss aufhören", rief er und beschimpfte wie üblich die Medien und die SPD. Der zornige Genosse räumte allerdings ein, dass die Existenzkrise der Partei ein hausgemachtes Problem ist: Nicht die SPD habe die Linke marginalisiert, "Wir haben uns selbst marginalisiert."

Seit Monaten tobt ein Machtkampf an der Spitze der Linkspartei. Ursprünglich war Lafontaine bereit, selbst noch einmal als Parteichef anzutreten. Allerdings machte er zur Bedingung, dass sein Intimfeind, Dietmar Bartsch, seine Kandidatur für den Parteivorsitz wieder zurückzieht. Er wollte ihn noch nicht einmal als Bundesgeschäftsführer akzeptieren. Nachdem Bartsch nicht weichen wollte, zog Lafontaine sein Kandidatur wieder zurück. Seitdem ist in der Partei eine offene Feldschlacht über den Parteivorsitz, Einfluss und Macht ausgebrochen.

Aktuell gibt es acht Kandidaten für zwei Vorsitzenden-Posten. Sie sollen am späten Samstagabend per Kampfabstimmung vergeben werden. Der erste Posten ist per Satzung für eine Frau reserviert. Für den zweiten Chef-Posten können Männer und Frauen antreten. Mögliches Szenario: Bei der der ersten Wahl setzt sich die bisherige Vize-Chefin Katja Kipping durch. Danach droht eine turbulente Kampfabstimmung, zu der der pragmatische Ostlinke Dietmar Bartsch und der vom Lafontaine-Lager favorisierte Bernd Riexinger antreten.

NRW-Chefin Katharina Schwabedissen zog derweil ihre Kandidatur zurück. Sie wollte eigentlich mit Parteivize Katja Kipping eine weibliche Doppelspitze bilden. Am Samstagabend plante sie jedoch aus dem Rennen auszusteigen, hieß es aus Parteikreisen auf dem Parteitag in Göttingen. Ein Sprecher der Linken wollte den Rückzug weder bestätigen noch dementieren.

Die Chancen, dass die Linke nach diesem Parteitag Frieden findet, sind schlecht. Gysi gab in seiner Rede einen denkwürdigen Einblick, wie tief die Linken gespalten sind. Er berichtete von "Hass" in der Bundestagsfraktion. "Seit Jahren befinde ich mich zwischen zwei Lokomotiven, die aufeinander zurasen", schimpfte er. "Das ist für mich ein pathologischer Zustand."

Gysi erinnerte an die Gründungsgeschichte der Partei und appellierte an die Delegierten, die Tradition der "ostdeutschen Volkspartei" und der "westdeutschen Interessenpartei" bestehen zu lassen. Der eine dürfe nicht über den anderen siegen. Zum Ende seiner Rede bat Gysi die Delegierten geradezu flehentlich um eine kluge Entscheidung. "Ihr müsst die Teile der Partei zusammenführen, um die Flügel endlich zu entmachten."

(RP/nbe)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort