Skandale bei der Bundeswehr Guttenberg wehrt sich gegen Vorwürfe

Berlin (RPO). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerät in Erklärungsnöte. Gleich mehrere Skandale belasten derzeit die Bundeswehr. Während SPD und Grüne vor einer Vertuschung der Fälle warnen und Guttenberg vorwarf, sein Haus nicht im Griff zu haben, kündigte der Minister "klare Konsequenzen" für den Fall an, dass sich jüngste Informationen über Missstände bewahrheiten.

Bewegende Trauerfeier für verunglückte Soldatin
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"Menschenunwürdiger Drill kann nicht geduldet werden", sagte Guttenberg (CSU) der "Süddeutschen Zeitung". Auch vertuschen dürfe nie die Vorgehensweise der Bundeswehr sein, "und das ist es auch nicht", fügte er hinzu. Zur Aufklärung gehör auch, ob die Meldewege eingehalten wurden."Wenn es da Versäumnisse gegeben hat, wird auch das Folgen haben. Das muss alles aufgeklärt werden. Ich bin da wenig geduldig", sagte der Minister. Wir zeigen, um welche Vorfälle es sich handelt.

Fall 1 - die Gorch Fock: Auf dem Segelschulschiff Gorch Fock soll auf die Kadetten Druck ausgeübt worden sein: Nach einem Todesfall in der Takelage weigerten sich einige Soldaten, erneut in die Masten zu klettern. Ausbilder wiederum warfen ihnen Meuterei vor. Guttenberg beorderte die Gorch Fock umgehend in den nächstgelegenen Hafen nach Argentinien zurück. Dort soll es auf ein Ermittlerteam warten, mit dem die Bundeswehrführung Licht in die Verhältnisse an Bord bringen will. Nach Informationen unserer Redaktion werden auch Mitarbeiter des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) dieser Aufklärungsgruppe angehören. Königshaus hatte die Nachforschungen ins Rollen gebracht.

Der Wehrbeauftragte wies im Gespräch mit unserer Redaktion Spekulationen um einen Aufstand an Bord zurück. "Es gab keine Meuterei", sagte Königshaus. Es hätten sich im November unter den Offizieranwärtern jedoch verschiedene Gruppen gebildet, die uneins darüber gewesen seien, wie die Ausbildung nach dem tödlichen Unfall einer Kameradin weitergehen solle. Die 25-jährige Sarah Lena Seele war in einem brasilianischen Hafen am 7. November aus der Takelage des Schiffes gestürzt und dabei zu Tode gekommen.

"Einige wollten danach selbst nicht mehr aufentern. Sie wollten nach dem schrecklichen Unfall jedenfalls nicht zur Tagesordnung übergehen", berichtete Königshaus. "Wenn es sich herausstellt, dass sich die Vorfälle genau so abgespielt haben, wie sie vom Wehrbeauftragten geschildert worden sind, dann war das eklatantes Führungsversagen", sagte FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff unserer Redaktion. Mit dem Unglück seien die Vorgesetzten allem Anschein nach "alles andere als sensibel umgegangen", kritisiert Hoff.

SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold hatte gegenüber unserer Redaktion "kein Problem damit, dass Soldaten an ihre Grenzen gehen". Die Ausbildung auf dem Segelschulschiff sei "identitätsstiftend für die Marine und deren inneres Gefüge" — allerdings dürfte das Hochklettern nur freiwillig erfolgen. Nach Informationen des Wehrbeauftragten sahen sich jedoch Soldaten dazu gezwungen, weil man ihnen gedroht hatte, sonst nicht Offizier werden zu können.

Zum Vorwurf der Meuterei sagte Guttenberg, er habe umgehend den Inspekteur der Marine und den Leiter der Rechtsabteilung im Verteidigungsministerium angewiesen, den Sachverhalt aufzuklären, nachdem er von dem Vorfall erfahren habe. "Sie werden von mir keine Vorverurteilung hören", sagte Guttenberg der "Süddeutschen Zeitung". "Aber wenn die Vorwürfe zutreffen, dann wird es klare Konsequenzen geben."

Für Verbitterung unter den Kritikern an Bord sorgte nach Informationen unserer Redaktion auch eine Karnevalsfeier an Bord der "Gorch Fock" zum "Elften im Elften", also nur wenige Tage nach dem Tod der Kameradin.

Die Grünen forderten ein neues Ausbildungskonzept für das Segelschulschiff. "Eine Ausbildung, die möglicherweise dazu führt, dass Komandanten Matrosen den Mast hoch schreien, hat nichts mit einer modernen Marine zu tun", sagte Grünen-Bundeswehrexperte Omid Nouripour unserer Redaktion. Die "Gorch Fock" selbst sei nicht das Problem. "Es geht darum, was an Bord geschieht", betonte Nouripour.

Fall 2 - Tod eines Soldaten: Der Tod eines 21-jährigen Bundeswehrsoldaten kurz vor Weihnachten in Afghanistan wird ein juristisches Nachspiel haben. Auf einen ebenfalls in dessen Einheit in Pol-i Khomri eingesetzten Kameraden dürften deshalb Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes zukommen. Das ergibt sich aus Unterlagen, die das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in der vergangenen Woche an die zuständige Staatsanwaltschaft in Gera weitergeleitet hat.

Danach sollen die Beteiligten sich "die Waffen vor die Nasen gehalten" und damit "spielerisch" umgegangen sein, als der 21-Jährige von einem Schuss in den Kopf getroffen wurde. Nach ersten Darstellungen der Bundeswehr sollte das Opfer "mit einer Schusswunde aufgefunden" worden und später bei einer Notoperation gestorben sein. Im Folgenden war über einen Selbstmord spekuliert worden.

Umstritten ist, inwieweit Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) über den tatsächlichen Hergang informiert war, als er kurz danach mit Kanzlerin Angela Merkel nach Afghanistan reiste. Am Donnerstag unterstrich das Verteidigungsministerium, bereits am 18. Dezember, also einen Tag nach dem Tod des Hauptgefreiten, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet zu haben.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, warf Guttenberg vor, die genauen Umstände des Todes vertuschen zu wollen. "Guttenberg muss sich im Fall des in Afghanistan erschossenen Soldaten nachsagen lassen, dass das Bundesverteidigungsministerium den Bundestag über die Umstände des Todes objektiv falsch unterrichtete", sagte Trittin der "Berliner Zeitung". "Die Staatsanwalt wurde umgehend eingeschaltet und ermittelt nun", sagte der Minister der "Süddeutschen Zeitung"."Zu laufenden Verfahren, die die Ermittlung der tatsächlichen Vorgänge zum Inhalt haben, können wir uns auch mit Blick auf Betroffene nicht äußern", fügte er hinzu.

Der offizielle Feldjägerbericht der Bundeswehr geht davon aus, dass der Tod des Soldaten "aller Wahrscheinlichkeit" nach "ein Unfall" war. Nach den ersten Ermittlungen der Bundeswehr sei "vorsätzliches Handeln auszuschließen", berichtete die "Leipziger Volkszeitung" unter Bezugnahme auf den Feldjägerbericht.

Fall 3 - die Feldpost in Afghanistan: Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) war es, durch den das Verteidigungsministerium auf eine Serie von Straftaten aufmerksam wurde. Bei seinem jüngsten Besuch in Afghanistan in der vergangenen Woche hatte Königshaus im Gespräch mit Soldaten eines Ausbildungs- und Schutzbataillons erfahren, dass deren Post an die Angehörigen nach Deutschland "systematisch" geöffnet worden sei und in einigen Fällen die Inhalte sogar vollständig fehlten. Königshaus hält es für "wenig wahrscheinlich", dass ein deutscher Nachrichtendienst dahintersteckt. Möglicherweise müsse an einen kriminellen Hintergrund gedacht werden.

"Es ist auffällig, dass nur Soldaten einer Einheit davon betroffen sind", sagte Königshaus unserer Redaktion. Da aber die Post nach der Anlieferung in Masar-i Sharif mit den Sendungen von Soldaten anderer Einheiten gemischt werde, sei es relativ unwahrscheinlich, dass die Straftaten in Deutschland verübt wurden. Afghanistan als Tatort komme eher in Frage. Königshaus hält es daher für denkbar, dass dort "der eine oder andere nach Wertgegenständen gesucht hat".

(RP/dapd/AFP/das)
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