Bundeswehr-Skandale Guttenberg sucht sein Heil in der Offensive

Berlin (RPO). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg holt zum Rundumschlag aus. Nach immer neuen Vorwürfen gegen die Bundeswehr verspricht er nun, in seinem ganzen Laden gründlich aufzuräumen. Die Opposition wirft dem Minister vor, die Wahrheit nur scheibchenweise einzuräumen. Indes stellt ein Vater einer toten Kadettin Guttenberg weitere Forderungen.

Presse: Guttenberg geht hohes Risiko
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Foto: dapd

Alle Teilstreitkräfte sollen auf etwaige Vorkommnisse hin untersucht werden, kündigte der CSU-Politiker am Wochenende an. Der Druck war groß. Am Freitag hatte er bereits Gorch-Fock-Kapitän Norbert Schatz entlassen und sich dadurch den Titel "Schnellschuss-Minister (Spiegel Online) eingehandelt.

Nachmittags hatte der CSU-Politiker noch vor Vorverurteilungen gewarnt. Abends wurde er darüber informiert, dass die Bild-Zeitung am Samstag weitere Vorwürfe gegen die Führung der "Gorch Fock" erheben würde. Guttenberg reagierte. Kapitän Norbert Schatz, ein Seemann alter Schule, musste das Deck räumen. Der Minister setzt auf Tat- und Entschlusskraft. Bloß nicht so taten- und hilflos dastehen wie die Kollegin Ilse Aigner.

Wenige Stunden später legte der CSU-Politiker nach. Die gesamte Bundeswehr soll durchleuchtet werden, ließ er am Sonntag via Bild am Sonntag wissen. Eine eigens einzusetzenden Kommission soll zudem die Zustände auf dem Segelschiff "Gorch Fock" aufklären. Der Bundeswehrverband lobt den Minister für seine Initiative. Die Bundestags-Opposition spricht von "Salamitaktik".

Hintergrund sind drei fast zeitgleich bekannt gewordene Vorfälle: die Meuterei-Vorwürfe auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", das Öffnen von Feldpostbriefen aus Afghanistan und neue Hinweise zum Tod eines Soldaten in Afghanistan. Quelle war jeweils der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP), der sich erneut gegen Vorhaltungen verwahrte, er wollte damit am Image des beliebten Unions-Ministers kratzen.

Guttenberg fühlt sich schlecht informiert

"Ich habe den Generalinspekteur beauftragt, eine Überprüfung in allen Teilstreitkräften vorzunehmen, inwieweit es in den letzten Jahren und auch jetzt noch Anhaltspunkte für Rituale gibt, die den Grundsätzen der Bundeswehr widersprechen", sagte Guttenberg. Generalinspekteur Volker Wieker soll ihm dann "zeitnah aufzuzeigen", welche Konsequenzen sich aus möglichen Regelverstößen ergeben.

Vorrangiges Ziel von Guttenberg ist es, den Informationsfluss in seinem Haus grundsätzlich umzukrempeln. Es dürfe nicht sein, "dass ein Minister, der am Ende des Tages entscheiden muss, eine Vorlage bekommt, auf der 'EILT SEHR' steht und er feststellen muss, dass die einen 35-fachen Gegenzeichnungsamtsgang gezogen hat und einen dreieinhalb Monate später erreicht". Dabei handele es sich um kein Einzelbeispiel, monierte der Ressortchef.

Opposition zieht Glaubwürdigkeit des Ministers in Zweifel

Die SPD zweifelt angesichts der jüngsten Vorfälle bei der Bundeswehr an einer klaren Linie Guttenbergs. Dabei stelle sich auch die Frage der Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministers, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Noch am Freitag habe Guttenberg die Opposition für ihre Forderung nach Konsequenzen beschimpft. "Einen Anruf von der 'Bild'-Zeitung und einen Tag später ist alles anders. Der Kapitän der 'Gorch Fock' ist entlassen. Das lässt vermuten, da wird noch viel aufzuräumen sein", sagte er.

Linken-Chef Klaus Ernst hält als Konsequenz auch eine eingehendere parlamentarische Untersuchung im Bundestag für möglich. Guttenberg fehle ein grundlegender Begriff von den Regeln einer Parlamentsarmee, monierte Ernst." Von ihm wurde kein personelles Bauernopfer gefordert, sondern rückhaltlose Aufklärung. Das war keine nette Bitte, sondern eine Erinnerung an seine Amtspflichten als Minister." Sollten nicht sofort alle Fakten auf den Tisch kommen, dann müsse im Bundestag "ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob die Vorfälle in der Bundeswehr nicht eingehender untersucht werden müssen".

Die Grünen forderten ebenfalls Aufklärung. Es sei jetzt aber nicht an der Zeit, einen Rücktritt des Ministers zu fordern, sagte Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour. In erster Linie müssten die Vorfälle bei der Bundeswehr aufgeklärt werden: "Wer hat die Feldpost geöffnet. Was ist passiert bei dem Soldaten, der ums Leben gekommen ist und was ist auf der 'Gorch Fock' alles schiefgegangen. Das ist das, was mich am meisten interessiert."

Erste Ergebnisse zu den Vorfällen

Unterdessen liegt zu dem Feldpostvorkommnis ein erstes Zwischenergebnis vor. Danach sind "vermutlich" etwa ein Dutzend Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan "unrechtmäßig geöffnet" worden, sagte ein Ministeriumssprecher. Andere wiederum hätte der Zoll bei zulässigen Kontrollen geöffnet und entsprechend gekennzeichnet. Im vergangenen Jahr wurden von der Feldpost weit mehr als eine Million Briefe und gut 270.000 Päckchen und Pakete befördert.

Zu den Vorfällen auf der "Gorch Fock" beauftragte Guttenberg den Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Axel Schimpf, mit der Aufklärung. Dieser benannte ein Expertenteam unter Leitung des Chefs des Marineamtes, der zusammen mit zwei Juristen vom Marineamt und vom Verteidigungsministerium sowie dem Havariebeauftragten der Marine nun vor Ort die Geschehnisse untersuchen soll. Das Team, das von zwei Mitarbeitern des Wehrbeauftragten begleitet wird, soll am 27. Januar in Argentinien eintreffen.

Ein Todesfall aus der Vergangenheit wird wieder aktuell

Anlass für die Untersuchung ist der Unfalltod einer 25-Jährigen Kadettin, die am 7. November beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe auf das Deck gestürzt und zwölf Stunden später gestorben war. "Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb", sagte die 45-Jährige Mutter dem "Focus". Sie vermute, dass die wahren Gründe für den Tod ihrer Tochter "vertuscht" worden seien. Sie erstattete Anzeige wegen fahrlässiger Tötung.

Die Berichte über die Zustände auf dem Schulschiff der Deutschen Marine haben auch Uwe Böken auf den Plan gerufen. Seine Tochter starb im September 2008, als sie als Offiziersanwärterin auf der "Gorch Fock" ihren Dienst tat. Böken fordert nun eine Neuaufnahme der Ermittlungen zum Tod seiner Tochter. Er habe gleich nach dem Vorfall den Verdacht gehabt, seine Tochter könnte an Bord sexuell belästigt worden sein, sagte Uwe Böken der "Bild"-Zeitung vom Montag. "Ich halte es durchaus für möglich, dass Jenny bedrängt wurde und bei einer Rangelei über Bord ging." Die damals 18-jährige Marine-Soldatin aus Nordrhein-Westfalen war bei der Seewache aus ungeklärten Umständen in die Nordsee gestürzt und später tot geborgen worden.

Seinen Verdacht teilte Böken dem Bericht zufolge auch den Ermittlungsbehörden mit. Eine "lückenlose Rekonstruktion der Ereignisse" sei laut der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein demnach nicht möglich gewesen. Böken forderte nun Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf, neue Untersuchungen zu veranlassen: "Wenn er Transparenz will, muss dieser Fall noch einmal untersucht werden."

Sie bat noch um einen Termin beim Gynäkologen

Die "Bild"-Zeitung zitierte aus einer E-Mail, die die Soldatin 24 Stunden vor ihrem Tod an ihre Mutter geschrieben habe. Darin bat die junge Frau dem Bericht zufolge ihre Eltern in dringlichem Ton, einen Termin bei ihrem Gynäkologen für sie zu vereinbaren. Sie müsse den Arzt direkt nach ihrer Rückkehr von der "Gorch Fock" aufsuchen. Uwe Böken sagte der Zeitung, nach den jüngsten Berichten über Ausschweifungen an Bord des Segelschulschiffes sehe er die Mails seiner Tochter in einem neuen Licht. "Ich appelliere an alle möglichen Zeugen, die irgend etwas sagen können und bisher geschwiegen haben, nicht länger den Mund zu halten", sagte er der Zeitung.

Weiter in den Händen der Staatsanwaltschaft liegt die Aufklärung des Todes eines Bundeswehrsoldaten Ende vergangenen Jahres in Afghanistan. Die Ermittlungen richteten sich gegen einen Soldaten, der aus bisher unbekannten Gründen einen 21-jährigen Hauptgefreiten aus dem Gebirgsjägerbataillon 232 aus dem bayerischen Bischofswiesen erschoss. Laut "Spiegel" sind die Ermittler der Bundeswehr zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass "die Nichteinhaltung von Sicherheitsbestimmungen und die Unachtsamkeit" des Schützen Grund für den Schießunfall waren.

(apd/AFP)
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