Zankapfel Bundeswehr Guttenberg plant schon ohne Wehrpflicht
Berlin (RPO). Die Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland ist das momentan größte Streitthema der Koalition. Verschiedenen Medienberichten nach will das Bundesverteidigungsministerium die Wehrpflicht bereits zum 1. November aussetzen. Und das zum Trotz der Forderungen nach einer ergebnisoffenen Diskussion, wie sie etwa von Seiten der Bundeskanzlerin gefordert wurde.
Die "Frankfurter Rundschau" berichtete, ungeachtet des Versprechens von Guttenberg, eine Aussetzung der Wehrpflicht ergebnisoffen zu prüfen, habe Generalinspekteur Volker Wieker bereits am Donnerstag die Inspekteure der Teilstreitkräfte angewiesen, nur noch mit einer Truppenstärke von 150.000 Soldaten zu planen. 40.000 Berufs- und Zeitsoldaten sollten bis 2014 entlassen werden, neue Rekruten schon von nächstem Jahr an nicht mehr eingezogen werden.
Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" und dem Deutschlandfunk zufolge will das Bundesverteidigungsministerium die Wehrpflicht bereits zum 1. November aussetzen. Damit würden laut "Focus" bereits zum Stichtag am 1. Januar keine Wehrdienstleistenden mehr eingezogen, auch wenn noch keine formale Entscheidung über die Aussetzung der Wehrpflicht getroffen sein sollte.
CDU-Politiker für Erhalt der Wehrpflicht
Der Unions-Obmann im Verteidigungsausschuss, Ernst-Reinhard Beck (CDU), äußerte sich entsetzt über die Pläne. "55 Jahre ist die Union die Partei der Wehrpflicht gewesen und plötzlich geben wir das wegen eines Spardiktats auf. Das kann doch nicht sein", sagte Beck. Er verlasse sich darauf, dass Guttenberg die Aussetzung wirklich ergebnisoffen prüfe.
Unions-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: "Ich bin überzeugt, dass die Wehrpflicht erhalten bleiben muss." Sie sei das Instrument, Gesellschaft und Bundeswehr miteinander zu verbinden. Kauder kritisierte zudem Guttenberg. "Es geht nicht, dass überfallartig, von Donnerstag auf Montag, ein Beschluss gefasst werden soll, die Wehrpflicht abzuschaffen", sagte er. Die Struktur der Wehrpflicht müsse sich allein daran orientieren, dass die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen könne. Deswegen könne eine Strukturreform nicht unter einem Spardiktat geführt werden. "Das ist der Grund, warum ich den Zusammenhang zwischen Sparen und Abschaffen der Wehrpflicht nicht akzeptieren kann", sagte Kauder.
Familienministerin Schröder (CDU) sagte, die Wehrpflicht sorge für eine besondere Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft. Eine Aussetzung der Wehrpflicht wäre nur verteidigungspolitisch begründbar. "Eine solche Entscheidung sollte man nicht nach Kassenlage treffen und mit Sparzwängen rechtfertigen", sagte Schröder. Sie wolle bis September prüfen lassen, was eine Aussetzung der Wehrpflicht für den Zivildienst bedeuten würde.
Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, forderte, vor dem nächsten Einberufungstermin am 1. Oktober solle Klarheit über die Zukunft der Wehrpflicht bestehen. "Es wäre gut, wenn im September ein entscheidungsreifer Vorschlag des Ministers auf dem Tisch liegen würde, ob es bei sechs Monaten Wehrpflicht bleibt oder ob die Aussetzung kommt", sagte sie. Man könne angesichts der Haushaltslage nicht eine Wehrpflicht aufrechterhalten, die für eine Armee im Einsatz gar keinen Nutzen mehr habe.
Guttenberg verteidigt Pläne
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verteidigte erneut seine Überlegungen, die Wehrpflicht abzuschaffen. "Bei einer hochprofessionellen, bestens ausgerüsteten und flexiblen Einsatzarmee haben Sie kaum noch Kapazitäten, Rekruten auszubilden", sagte er dem "Spiegel" laut Vorabbericht vom Samstag. Zudem sei es eine "grundsätzlich erkannte Notwendigkeit", dass die Strukturen der Bundeswehr geändert werden müssten: "Wir müssen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge einsparen. Sparen ohne Reform ist nicht denkbar."
Nach Guttenberg hatte am Freitag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bereitschaft zu einer Abkehr von der Wehrpflicht erkennen lassen. In der Bundeswehr müsse es "einen zukunftsweisenden Strukturwandel" geben, wobei auch über ein Aussetzen der Wehrpflicht nachgedacht werden dürfe, sagte Merkel.
Die allgemeine Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1956 eingeführt. Mittlerweile entscheiden sich in Deutschland mehr Menschen für den Zivil- als für den Wehrdienst. So wurden im Jahr 2009 rund 68.000 junge Menschen zum Wehrdienst einberufen, aber mehr als 90.000 entschieden sich für den Zivildienst. Die Zahl der Wehrpflichtigen ist seit der Wiedervereinigung drastisch gesunken. So waren in den Jahren 1991 und 1992 noch jeweils mehr als 200.000 Wehrpflichtige einberufen worden. Die sinkende Zahl der Einberufungen löst immer wieder Debatten darüber aus, ob die Wehrpflicht noch gerecht ist.