Offener Brief von Wissenschaftlern Guttenberg "hat sich Doktortitel erschlichen"

Düsseldorf (RPO). Wissenschaftler und Doktoranden fühlen sich verhöhnt: Sie kritisieren, dass sich Verteidigungsminister zu Guttenberg seinen Doktortitel erschlichen und keinesfalls ein Kavaliersdelikt begangen habe. Den im Internet veröffentlichten Brief haben nach Angaben der Initiatoren bislang mehr als 51.500 Bürger unterschrieben.

Demonstranten zeigen Guttenberg die Schuhe
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Die Unterzeichner wehren sich gegen Verharmlosung: "Wir tun dies nicht, weil wir 'Fußnotenfanatiker`' sind oder im ,Elfenbeinturm' sitzen und nicht wissen, was im wahren Leben zählt. Es geht uns schlicht darum, das Verständnis dafür weiterzugeben, dass wissenschaftlicher und damit gesellschaftlicher Fortschritt allein dann möglich ist, wenn man sich auf die Redlichkeit in der "scientific community" verlassen kann."

Sie schreiben das mit gutem Grund: Wenn in den Naturwissenschaften Fehler in Doktorarbeiten erkannt werden, sind die Konsequenzen meist schnell und eindeutig: der Rückruf der Arbeit und die Ächtung des Autors. Genau so eindeutig müssen Förderungen und Kooperationspartner für wissenschaftliche Arbeiten offengelegt werden. Weil es in diesem Feld immer wieder Schwachstellen gibt, wurde eine Art Ehrenkodex erstellt, der für die Redlichkeit der Wissenschaft unabdingbar ist.

In dem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel schreiben die Doktorandinnen und Doktoranden nun, dass sie "mit großer Erschütterung und noch größerem Unverständnis" die Diskussion um die Plagiate in Guttenbergs Doktorarbeit verfolgen. "Wir haben den Eindruck, dass Sie mit aller Macht versuchen, einen Minister zu halten, der trotz massiver Gegenbeweise immer noch die Behauptung aufrecht erhält, er habe in seiner Doktorarbeit nicht bewusst getäuscht."

Keinesfall handele es sich bei dem Fall um "ein Kavaliersdelikt", der Fall vermittele vielmehr, dass ein "akademisches Ehrenwort" im wirklichen Leben belanglos sei.

Es sei kein "Wunder, dass sich Plagiatsexperten darüber einig sind, dass man hier nicht mehr von einigen ,peinlichen Fehlern' reden kann. Es handelt sich um massive, systematische Täuschung", so die Absender des Briefes. Zu Guttenberg habe große Teile seiner Dissertation — und dies offenbar mit großem Ehrgeiz — zusammenkopiert und Quellen vertuscht, "um sich den Doktortitel zu erschleichen, mit dem er dann nicht zuletzt auf Wahlplakaten geworben hat", kritisieren die Doktoranden.

Dass zu Guttenberg lange Zeit nahezu unbeschadet aus der Affäre hervorging und von Merkel weiter gestützt werde, sei "eine Verhöhnung aller wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie aller Doktorandinnen und Doktoranden, die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen", kritisieren die Wissenschaftler.

(top/rai)
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