Neue Details in Affäre um Doktortitel Guttenberg brauchte Ausnahmegenehmigung

Berlin (RPO). In der Plagiatsaffäre gerät Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) weiter unter Druck. Am Montag wurde bekannt, dass Guttenberg offenbar nur durch eine Ausnahmeregelung promovieren durfte. Auch in den eigenen Reihen verschärft sich unterdessen die Kritik am Minister. Von einem "gravierenden Vorfall" und einem "Sargnagel für die Demokratie" ist die Rede.

 Einer der großen Hoffnungsträger der FDP: Generalsekretär Christian Lindner.

Einer der großen Hoffnungsträger der FDP: Generalsekretär Christian Lindner.

Foto: ddp, ddp

Guttenberg habe nur mit der Ausnahmegenehmigung eines CSU-nahen Professors an der Universität Bayreuth promovieren dürfen. Das berichtet am Montag der "Tagesspiegel" unter Berufung auf Fakultätskreise.

Neue Details in Affäre um Doktortitel: Guttenberg brauchte Ausnahmegenehmigung
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Wie es weiter heißt, sei Guttenbergs juristisches "Prädikatsexamen", mit dem er auch in seinem Lebenslauf warb, nur ein sogenanntes "kleines Prädikat" mit der Note "befriedigend" im "unteren Bereich". Mit einer solchen Examensnote sind juristische Promotionen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Guttenberg lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

"Ausnahmsweise zugelassen"

Nach der Promotionsordnung der Uni Bayreuth kann der Dekan einen Bewerber mit einer schlechteren Note als "vollbefriedigend" nur "ausnahmsweise" zur Promotion zulassen. Dekan war bei Guttenbergs Promotionszulassung 2006 Karl-Georg Loritz.

Loritz war in den siebziger Jahren Vorsitzender der Jungen Union in der CSU-Vorstandschaft der bayerischen Kreisstadt Schwandorf. Ende Januar war er Hauptredner beim Neujahrsempfang der Schwandorfer CSU. Auf der Website des Ortsverbandes heißt es, der Professor für Zivilrecht sei der Partei "bis heute verbunden".

"Nicht der Regelfall"

Aus der Fakultät hieß es weiter, die Zulassung eines "befriedigend"-Kandidaten sei "nicht ungewöhnlich". Dass der Kandidat dann aber die Bestnote "summa cum laude" erziele, sei möglich, aber jedenfalls "nicht der Regelfall". Neben Loritz mussten laut Promotionsordnung 2006 noch zwei weitere Professoren die ausnahmsweise zulässige Promotion befürworten.

Dies waren nach "Tagesspiegel"-Informationen der Erstgutachter der Dissertation Peter Häberle sowie der Zweitgutachter Rudolf Streinz. Guttenberg konnte ferner die in seinem Fall benötigten beiden, mindestens mit "gut" bewerteten Seminarscheine vorlegen. Einer davon stammt aus einem Seminar mit Häberle, der zweite aus einer Lehrveranstaltung des mittlerweile ebenfalls emeritierten Professors Volker Emmerich.

Doktorvater geht auf Distanz

Der Doktorvater des Verteidigungsministers, der Bayreuther Jura-Professor Peter Häberle, geht nun auf Distanz zu seinem ehemaligen Studenten. Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände der von ihm betreuten Promotion geeignet seien, "den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen", teilte Häberle am Montag in einer schriftlichen Erklärung mit.

"Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel", schreibt der Professor. "Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war."

Die Aberkennung des Doktortitels sei die notwendige Folge gewesen. Am Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte der 76-Jährige der "Bild"-Zeitung gesagt: "Die Arbeit ist kein Plagiat." Nun spricht er von einer "ersten spontanen und letztlich zu vorschnellen Reaktion", deren Ausmaß er ohne Detailkenntnis zunächst nicht habe absehen können.

Lindner: "Gravierender Vorgang"

Auch in der Politik nahm die Kritik am Minister zum Wochenbeginn wieder Fahrt auf. Der FDP-Generalsekretär Christian Lindner nannte die Plagiatsaffäre einen "gravierenden Vorgang". Er zeigte sich überzeugt, dass Guttenberg sich wegen der offenbar in weiten Teilen abgeschriebenen Doktorarbeit auch weiterhin werde verantworten müssen. Auch habe jeder in der FDP natürlich eine "persönliche Auffassung" zu dem Thema.

Allerdings räumte Lindner ein, dass es sich dabei um einen "persönlichen Vorgang" aus einer Zeit handle, in der der CSU-Politiker dem Bundeskabinett nicht angehört habe. Da Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die CSU dem Minister das Vertrauen ausgesprochen hätten, wolle sich die FDP nun auf die anstehenden Sachfragen konzentrieren.

Lammert: "Sargnagel für die Demokratie"

Der FDP-Forschungsexperte Martin Neumann hält den CSU-Politiker Guttenberg als Minister nicht mehr für tragbar, wenn er die Umstände seiner Promotion nicht aufkläre. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat laut einem Medienbericht vor SPD-Abgeordneten erklärt, die Affäre und ihre Begleitumstände seien "ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie".

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte, er halte dies für eine unangemessene Reaktion. Auch CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich kritisierte Lammert. "Das sind Einzelstimmen, die man nicht weiter beachten muss." Es sei wichtig, dass die CSU und die wichtigen Akteure der CDU geschlossen hinter dem Verteidigungsminister stünden. "Das ist das Entscheidende."

"Ein Schlag ins Gesicht"

Kritik kam auch aus den Reihen der Linken: Sollte Guttenberg im Amt bleiben, wäre das ein Schlag in das Gesicht Zehntausender, die derzeit gewissenhaft und häufig unter schwierigen finanziellen Bedingungen ihre Dissertation erarbeiten, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Petra Sitte.

Mehr als 20.000 Doktoranden werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem offenen Brief eine "Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Mitarbeiter vor. Der Brief wurde der Kanzlerin am Montagvormittag im Bundeskanzleramt übergeben.

Guttenberg hat Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben. Daraufhin entzog ihm die Universität Bayreuth den akademischen Titel. Bisher hat der Minister alle Vorwürfe zurückgewiesen, mit Absicht betrogen zu haben. Merkel hatte unter anderem erklärt, sie sehe in Guttenberg nicht den Doktoranden, sondern den Verteidigungsminister.

"Große Zweifel"

Der FDP-Politiker Neumann gibt dem angeschlagenen Minister noch "eine, maximal zwei Wochen Zeit", um die Täuschungsvorwürfe auszuräumen. Schaffe er dies nicht, müsse er zurücktreten. Als erster Vertreter der schwarz-gelben Koalition äußerte er auch offen "große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren".

Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs geäußert.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der Zeitung: "Ein Verteidigungsminister, der als Betrüger und Täuscher bezeichnet werden darf, der sollte der Bundeswehr einen Gefallen tun und zurücktreten.

In ihrem offenen Brief beklagen die rund 20.000 Unterzeichner, die Behandlung der Plagiatsaffäre durch Merkel lege nahe, "dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele", wie das "Hamburger Abendblatt" zitiert. Dadurch "leiden der Wissenschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Land der Ideen".

"Politische Schizophrenie"

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth wirft der Bundeskanzlerin in der Plagiatsaffäre "politische Schizophrenie" vor. Merkel teile den CSU-Politiker auf in den wissenschaftlichen Praktikanten einerseits und den Verteidigungsminister andererseits, kritisierte Roth am Montag nach einer Bundesvorstandssitzung in Berlin.

Mit ihrem Festhalten an Guttenberg verrate die CDU-Chefin den bürgerlichen Ehrenkodex und füge der Demokratie einen "Totalschaden" zu. Roth bezog sich auf eine Äußerung Merkels, dass sie Guttenberg als Minister bestellt habe "und nicht als wissenschaftlichen Assistenten".

(apd/csr)
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