Mursis Bilanz des Berlin-Besuchs Gute Ratschläge, aber kein Geld für Ägypten

Berlin · Der Zeitplan war eng gesteckt: nur achteinhalb Stunden blieben. Mehr Zeit hatte Ägyptens Präsident Mohammed Mursi am Mittwoch nicht für Berlin. Noch nicht einmal für einen Besuch bei der berühmtesten Ägypterin, der Nofrete, reichte es.

Ägyptens Präsident Mursi trifft Merkel
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Angesichts der massiven Proteste zu Hause entschied sich der Mann aus der Muslimbruderschaft dafür, nicht so lange außer Landes zu bleiben. Bei Ausnahmezustand und mehreren Dutzend Toten war das vermutlich auch besser so. Auf diese Weise schrumpfte der erste Deutschland-Besuch des islamistischen Staatsoberhaupts allerdings auf ein Minimalprogramm zusammen: Treffen mit Angela Merkel, drei sonstige Termine und abends noch eine Rede.

Für einen Abstecher zur Nofretete - der vielleicht berühmtesten Repräsentantin seines Landes, die nur zweieinhalb Kilometer vom Kanzleramt entfernt im Museum steht - reichte es schon gar nicht. Im streng gesicherten Regierungsviertel, wo seine Wagenkolonne unterwegs war, konnte er trotzdem einen ungefähren Eindruck bekommen: Aus Protest gegen das brutale Vorgehen der ägyptischen Staatsgewalt hatte Amnesty International dort zwei große Nofretete-Figuren aufgestellt:
eine mit Gasmaske, eine mit blutigem Verband.

Aber das sind für den seit einem halben Jahr amtierenden Präsidenten Störungen der kleineren Art, auf die er bei einem seiner ersten Besuche im Westen gar nicht erst eingehen musste. Die militärischen Ehren, den gemeinsamen Gang mit Merkel über den Roten Teppich, die anschließende Pressekonferenz bewältigte der 61-jährige Ex-Funktionär der Muslimbruderschaft sehr professionell.

Verbaler Angriff auf Juden? "Aus dem Zusammenhang gerissen"

Die unangenehme Frage nach dem kürzlich aufgetauchten Video mit bösen Äußerungen über die israelischen Nachbarn ("Kriegstreiber", "Blutsauger", "Nachfahren von Affen und Schweinen") tat er mit der Bemerkung ab, die Zitate seien "aus dem Zusammenhang gerissen" - eine Ausrede, wie sie auch in gestandenen Demokratien von Politikern benutzt wird.

Ansonsten war Mursi nach dem Mittagessen mit der Kanzlerin sehr um gut Wetter bemüht. Deutschland habe Ägyptens Demokratiebewegung als eines der ersten Länder unterstützt, noch vor dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak vor zwei Jahren. "Unser Treffen ist die Krönung gemeinsamer Bemühungen. Wir werden keine Mühe scheuen, auf diesem Weg voranzuschreiten." Die "neue vielversprechende demokratische Atmosphäre" zu Hause sei einer der wichtigsten Motivationsgründe für ihn, in der Arbeit fortzufahren. In Ägypten werden sich viele über solche Sätze wundern.

Mursi wusste, was Deutschland hören will

Überhaupt vermittelte Mursi den Eindruck, als wisse er genau, was man in Deutschland von ihm hören will. Zum Beispiel ein Bekenntnis wie dieses: "Ägypten wird ein Rechtsstaat sein, ein ziviler Staat, welcher nicht militärischer oder theokratischer Natur ist. Ein Staat, der Meinung und Gegenmeinung zulässt. Ein demokratischer Staat in allen Bedeutungen dieses Wortes." Merkel beließ es angesichts solcher Sätze bei einem betont sachlichen Blick.

Die Kanzlerin selbst legte den meisten Wert auf Appelle an Mursi in den verschiedensten Variationen, vom Weg der Demokratisierung nicht abzukommen. "Ich wünsche, dass die Entwicklung in Ägypten friedlich sein kann und allen demokratischen Kräften Raum gibt. Es kommt darauf an, die Arbeit, die noch getan werden muss, jetzt voranzubringen." Fast hätte das schon das Schlusswort sein können.

An der Grundstimmung - einer großen Unsicherheit, wie es in Ägypten weitergehen wird - hat sich in Berlin noch nichts geändert. Immer noch liegt allzu viel im Ungewissen. Konkrete Ergebnisse des Besuchs gab es jedenfalls keine. Auch die größte Hoffnung der Ägypter - zusätzliches Geld aus Deutschland - erfüllte sich nicht.

Keine zusätzlichen Mittel

Jetzt schon steht Ägypten hier mit 2,5 Milliarden Euro in der Kreide - wenn auch aus Zeiten, mit denen Mursi nichts zu tun hatte.Im vergangenen Jahr, als es mit der Demokratiebewegung gerade einmal aufwärts ging, hatten die Deutschen zwar schon einen Schuldenerlass von 240 Millionen Euro versprochen. Aber angesichts der jetzigen Zustände will man in Berlin jetzt davon nichts mehr wissen. Allenfalls eine kleinere Tranche von etwa 30 Millionen, so heißt es nun, könnte zur Umwandlung freigegeben werden.

Auf Eis liegen im Moment auch etwa 350 Millionen Euro Entwicklungshilfe, die Deutschland bis Ende 2014 eigentlich bereitstellen will. Auch der Mursi-Besuch hat nichts daran geändert.
Weiterhin gibt es noch nicht einmal einen neuen Termin für Regierungsgespräche, mit denen das Geld freigegeben werden könnte.

(dpa/felt)
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