Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes Ausbildung ukrainischer Soldaten kann Kriegsbeteiligung sein

Berlin · Wissenschaftler sind sich einig: Die Ausbildung an westlichen Waffen könne den Status der „Nichtkriegsführung“ gefährden. Dennoch geht die Bundesregierung davon aus, dass Deutschland mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten völkerrechtlich betrachtet nicht zur Kriegspartei wird.

 Laut einem Gutachen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags stellt die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen eine Kriegsbeteiligung durch den Westen dar.

Laut einem Gutachen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags stellt die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen eine Kriegsbeteiligung durch den Westen dar.

Foto: dpa/Philipp Schulze

Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen auf deutschem Boden kann Wissenschaftlern zufolge völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung durch den Westen darstellen. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor, wie die RND-Zeitungen am Montag berichteten.

Demnach bestehe bei den Wissenschaftler Konsens darüber, dass westliche Waffenlieferungen völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt gelten – solange es keine Beteiligung an Kampfhandlungen gebe. „Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“

Der Rechtsstatus der „Nichtkriegsführung“ habe in der Völkerrechtspraxis die „traditionelle Neutralität“ in den vergangenen Jahrzehnten ersetzt, um eine Unterstützung von angegriffenen Staaten – wie derzeit die Ukraine – mit Waffenlieferungen und Geld zu ermöglichen, schrieben die Experten dem Bericht zufolge weiter.

Das zwölfseitige Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, der die Bundestagsabgeordneten neutral beraten soll, trägt den Titel „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch Nato-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“. Es wurde demnach im März erstellt, also vor dem Beschluss von Bundesregierung und Bundestag, deutsche Panzer direkt an die Ukraine zu liefern und zugleich ukrainische Soldaten an westlichen Waffen auszubilden.

Das US-Verteidigungsministerium hatte am Freitag erklärt, dass ukrainische Soldaten bereits an Waffensystemen ausgebildet würden. Das Training finde auf US-Militär-Stützpunkten in Deutschland in Absprache mit der Bundesregierung statt, die bei der Koordinierung und Organisation helfe. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Dienstag bei einer Militärkonferenz in Ramstein, Deutschland werde sich stärker bei der Ausbildung ukrainischer Truppen an Artilleriesystemen auf deutschem Boden engagieren.

Die Linke im Bundestag kritisierte dies als deutschen Eintritt in den Ukraine-Krieg. „Die Ampel-Koalition und die Union haben Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten 'in Deutschland oder auf Nato-Gebiet' auszubilden, zur aktiven Kriegspartei gemacht“, sagte die Linken-Obfrau im Verteidigungsausschuss, Zaklin Nastic, dem RND. „Die Bundesregierung setzt ganz Europa einer völlig unkontrollierbaren Gefahr aus.“

Die Bundesregierung geht aber weiter davon aus, dass Deutschland mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten völkerrechtlich betrachtet nicht zur Kriegspartei wird. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages dazu sei der Bundesregierung bekannt, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Jedem sei klar, dass man sich immer wieder in einer schwierigen Abwägung befinde. Hebestreit: „Unsere Überzeugung ist, dass auch die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland an Waffensystemen weiterhin keinen direkten Kriegseintritt bedeutet.“ Hebestreit reagierte auf eine Frage zu einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland über das Gutachten.

(jus/AFP)
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