Grundrechte-Report 2023 Menschenrechte in Deutschland unter Druck

Berlin · Die Grundrechte schützen jeden Menschen – doch wie steht es um den Schutz der Menschenrechte? Diese Frage stellt sich der Grundrechte-Report 2023 und deckt dabei aktuelle Probleme auf.

 Im Grundgesetz stehen die wichtigsten Regeln für das Zusammenleben in Deutschland. Gerade in Krisenzeiten werden die darin festgehaltenen Rechte aber auf die Probe gestellt.

Im Grundgesetz stehen die wichtigsten Regeln für das Zusammenleben in Deutschland. Gerade in Krisenzeiten werden die darin festgehaltenen Rechte aber auf die Probe gestellt.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Krieg, Klima, Krise – Themen, die aktuell das Leben vieler Menschen belasten. Mit dem zunehmenden Druck auf die Gesellschaft stehen auch die Regeln für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland auf der Probe. „Die Grundrechte werden angegriffen“, berichtete die ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Susanne Baer, bei der Vorstellung des Grundrechte-Reports 2023 am Dienstag in Berlin. Bei diesem gemeinsamen Projekt von zehn Bürgerrechtsorganisationen wurden unter dem Titel „Krieg, Klima, Krise“ aktuelle Gefährdungen der Grundrechte anhand von konkreten Fällen im vergangenen Jahr aufgezeigt.

Besonders die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine forderten die Grundrechte 2022 heraus. So machte sich der Krieg auch in der deutlichen Steigerung der Lebensmittel- und Energiepreise bemerkbar. Die Grundsicherung in Höhe von 449 Euro reichte laut Report kaum noch aus, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, wie es im Grundrecht geschrieben steht. Auch die Entlastungspakete der Bundesregierung hätten die gestiegenen Ausgaben laut Report nicht kompensieren können. Mit der Einführung des Bürgergelds am 1. Januar erfolgte schließlich eine Erhöhung der Grundsicherung auf 502 Euro.

Doch: Die neue Formel zur Berechnung eines angemessenen Existenzminimums kann nicht zuverlässig auf künftige Preisentwicklungen reagieren, wie es im Bericht heißt. Der Report zeigt Baer zufolge, wie groß die Herausforderung im Kampf gegen Armut ist. „Nach der Lektüre dieses Reports müssen gewisse Dinge unbedingt weiter diskutiert werden“, betonte die ehemalige Richterin. Als Beispiel nannte sie das grundrechtlich geschützte Streikrecht. „Wie halten wir es mit dem Recht von Menschen, deren Meinung uns überhaupt nicht passt?“, hinterfragte Baer.

Eine Streitfrage, die auch Simon Lachner, Aktivist der „Letzten Generation“, bei der Vorstellung des Reports thematisierte. Er berichtete aus eigener Erfahrung, welchen Vorverurteilungen die Aktivisten durch die Gesellschaft, Politik und Medien bei Verfahren ausgesetzt seien. Auf ihre Aktionen reagiere die Öffentlichkeit mit Gewalt, Mordfantasien und Volksverhetzung. „Das Versammlungsrecht scheint gegenüber Klimaaktivsten immer öfter in Vergessenheit zu geraten“, kritisierte Lachner.

Auch der Report beschäftigt sich mit der Diskussion um die Strafbarkeit dieser Proteste. Darin heißt es, dass die Gerichte die Reichweite der Versammlungsfreiheit häufig nicht hinreichend würdigten und auch deshalb regelmäßig zu Lasten der Klimaaktivisten entschieden. Justiz, Verwaltung und Gesetzgeber werden auch an anderen Stellen des Berichts scharf kritisiert. „Ich stimme da nicht allem zu, aber das muss diskutiert werden“, sagte Baer.

(jus)
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