Veralteter Begriff Grundgesetz ohne Rasse – breite Unterstützung für Grünen-Forderung

Berlin · Die Grünen wollen den Rassebegriff aus dem Grundgesetz streichen. Von SPD, Linken und FDP bekommen sie Rückendeckung, Innenminister Seehofer ist offen für Gespräche. Was aber stattdessen im Gesetzestext stehen soll, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen.

 Eine Ausgabe des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland liegt während des Unterrichts auf einem Tisch. Symbolbild.

Eine Ausgabe des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland liegt während des Unterrichts auf einem Tisch. Symbolbild.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Die Grünen-Forderung nach Streichung des Begriffs „Rasse“ aus dem Grundgesetz stößt in der Koalition auf Offenheit. Neben den Oppositionsparteien FDP und Linke spricht sich auch die stellvertretende SPD-Chefin Serpil Midyatli klar dafür aus, Innenminister Horst Seehofer (CSU) zeigt sich gesprächsbereit.

Er sei bereit, über diesen Vorschlag zu diskutieren, sagte Seehofer am Mittwoch in Berlin: „Ich versperre mich da nicht“. Wichtiger sei für ihn aber die Eindämmung von Rassismus in der Praxis.

Midyatli sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch): „Der veraltete Begriff „Rasse“ hat im Grundgesetz nichts zu suchen, er muss aus Artikel 3 gestrichen werden. Es gibt keine Rassen, diese Klarheit wünsche ich mir auch in unserer deutschen Verfassung.“

Der Parlamentsgeschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, schrieb auf Twitter: „Das Grundgesetz verbietet rassistische Diskriminierung. Das muss es auch sprachlich zum Ausdruck bringen.“ Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch twitterte: „Zustimmung!“.

Grünenchef Robert Habeck und die grüne Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteiner Landtags, Aminata Touré, hatten zur Begründung ihrer Forderung in der „Tageszeitung“ erklärt: „Es ist Zeit, dass wir Rassismus verlernen.“ Der Begriff manifestiere eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, die Anspruch und Geist des Grundgesetzes widersprächen. „Es gibt eben keine „Rassen“. Es gibt Menschen.“

Konkret geht es um Artikel drei Absatz drei des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Neu ist der Vorschlag aber nicht. Bereits nach dem rassistischen Anschlag in Hanau am 20. Februar hatte die Grünen-Spitze ihn vorgebracht. Verbände fordern die Streichung schon seit Jahren. 2010 etwa setzte sich das Deutsche Institut für Menschenrechte dafür ein. Auch die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) möchte den Begriff in allen Gesetzestexten und Landesverfassungen ersetzt sehen. Statt von einer Andersbehandlung wegen „seiner Rasse“ zu sprechen, sollte das Wort „rassistisch“ verwendet werden. „Denn Rassismus ist der Grund für die Herausbildung des Konzeptes menschlicher „Rassen“ - nicht umgekehrt“, heißt es in einem Positionspapier zu der Forderung.

Während die Grünen den Begriff ersatzlos aus dem Grundgesetz streichen wollen, schlägt Buschmann vor, ihn durch „ethnische Herkunft“ zu ersetzen. 2010 hatte die Linke in einem Antrag für die Formulierung „ethnische, soziale und territoriale Herkunft“ plädiert.

Für Diskussion sorgt weiterhin auch die Äußerung der SPD-Chefin Saskia Esken über „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte“ in Deutschland, mit der sie auch in der eigenen Partei Widerspruch geerntet hatte. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Dass wir in der Polizei einen latenten Rassismus haben, das wissen wir seit den NSU-Morden.“ Damals sei „vieles vertuscht“ worden. Er räumte aber Fortschritte ein und, dass die Polizei überwiegend bemüht sei, ihre Aufgaben „im Rahmen des Grundgesetzes“ zu erfüllen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Beamtenbund dbb warnen hingegen vor einem Generalverdacht gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. „Wenn bei bestimmten Delikten Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert sind, ist dies noch kein Indiz für Rassismus und darf nicht dazu führen, die Strafverfolgungs- oder Ermittlungsarbeit aus diesem Grund in Frage zu stellen“, sagten der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach und der Gemeindebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Deutschen Presse-Agentur. Sie sehen auch keinen Anlass für unabhängige Aufklärungsstellen: „Bereits heute wird allen Vorwürfen in einem fairen Verfahren nachgegangen“, erklärten beide.

(anst/dpa)
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