Zweiter Tag des Parteitags Grünen-Spitze will 50 Euro mehr für Hartz-IV-Bezieher

Die Grünen setzen am Samstag ihren Bundesparteitag fort, auf dem auch das Programm zur Bundestagswahl beschlossen werden soll. Es geht unter anderem um die Erhöhung der Hartz-IV-Zahlungen und des Mindestlohns.

 Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen nehmen an der Bundesdelegiertenkonferenz ihrer Partei teil.

Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen nehmen an der Bundesdelegiertenkonferenz ihrer Partei teil.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Grünen wollen die monatlichen Hartz-IV-Zahlungen für rund 5,4 Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung in einem ersten Schritt um mindestens 50 Euro anheben. Dieser Vorschlag sei in das Wahlprogramm aufgenommen worden, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Samstag beim Bundesparteitag. Bisher war nur von einer schrittweisen Anhebung ohne einen konkreten Betrag die Rede. Derzeit erhält ein erwachsener, alleinlebender Bezieher der Grundsicherung für Erwerbsuchende monatlich 446 Euro zum Lebensunterhalt und zusätzlich die Wohnungskosten. Der Nachwuchsverband Grüne Jugend verlangt allerdings eine Erhöhung um 200 Euro. Darüber sollen die Delegierten am Nachmittag ebenso abstimmen wie über die Forderung, den Mindestlohn von jetzt 9,50 auf 13 Euro zu anzuheben. Die Parteispitze will am Vorschlag einer Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro festhalten.

Die Grünen bleiben in ihrem Programm zur Bundestagswahl bei der Forderung, den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro auf zwölf Euro zu erhöhen. Auf dem Parteitag scheitert ein Basis-Antrag, die Forderung auf 13 Euro zu erhöhen. Die Parteiführung hatte dies abgelehnt. "Jetzt einfach 13 Euro in das Wahlprogramm zu schreiben, macht das Leben für niemanden besser", sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. "Aber es schwächt unsere breite Allianz mit den Gewerkschaften." Mit der Forderung nach zwölf Euro stünden die Grünen in einem sehr breiten Bündnis mit den Gewerkschaften.

Mit großer Mehrheit haben die Grünen sich für mehr Investitionen in Bildung und Forschung ausgesprochen. Die Delegierten stimmten klar und ohne Kampfabstimmungen für mehr finanzielle Unterstützung in Kitas, Schulen und in der Berufsausbildung sowie für einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Das mit dem Bundesvorstand vorab geeinte Programm, das die Delegierten mit 642 Stimmen abgesegnet haben, sieht vor, dass Staat und Unternehmen bis 2025 mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung investieren. Perspektivisch sollen die Investitionen weiter steigen.

Bund, Länder und Kommunen sollen nach dem Willen der Grünen gemeinsam einen Corona-Rettungsschirm auflegen, um die negativen Pandemie-Folgen für Kinder in der Bildung abzufedern. Wie viel genau dafür zur Verfügung stehen soll, schreibt das Programm nicht fest.

Auch den Sanierungsstau an Schulgebäuden wollen die Grünen beheben, die Schulsozialarbeit ausbauen und flächendeckend als Bestandteil der Ganztagsangebote verankern. An Kitas soll der Betreuungsschlüssel Mindeststandards erfüllen, um Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten. Mehr Betreuungsangebote soll es auch für Alleinerziehende geben.

Die grüne Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin, Bettina Jarasch, wandte sich mit einem starken Appell für mehr Bildungsgerechtigkeit an die Delegierten. Die Corona-Pandemie sei „keine gute Zeit für Kinder und Jugendliche“ gewesen, sagte Jarasch am Samstag auf dem Bundesparteitag. Bildungsrückstände müssten dringend aufgeholt werden, erklärte die Grünen-Politikerin. Außerdem müsse es für Familien mehr kostenlose Kulturangebote geben, etwa freie Zoo-, Schwimmbad- und Museumsbesuche. Mehr Gerechtigkeit in der Bildung bedeute etwa auch, das Bafög für Auszubildende und Studenten auszuweiten, erklärte Jarasch. Auch das hat der Parteitag am Samstag beschlossen.

Höhepunkt des zweiten Tages des Bundesparteitages sollen am Nachmittag die Bestätigung der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihre anschließende Rede sein. Die Parteichefin soll im Paket mit Co-Parteichef Robert Habeck als Spitzenduo für die Bundestagswahl gewählt werden, wobei sie als Kanzlerkandidatin antritt. Dies hatte der Parteivorstand im April vorgeschlagen.

Am Freitag hatte die Parteiführung in allen Abstimmungen zur Klima- und Umweltpolitik weitere Verschärfungen abgewehrt. So konnten sich Delegierte etwa mit der Forderung nach einem schnelleren Anstieg der CO2-Bepreisung im Verkehr und beim Heizen nicht durchsetzen. Parteichef Habeck schwor seine Partei auf einen harten Wahlkampf ein. "Der Tag hat gezeigt: Die Partei will Erfolg", sagte Kellner.

(lha/Reuters/dpa)
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