Annalena Baerbock auf Sommertour in Bayern Grün wie die Feuerwehr

Erlangen/Amberg · Wie wird aus guten Umfragewerten eine Regierungsbeteiligung? Und was lässt sich aus Corona lernen? Unterwegs mit der grünen Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock auf einer Sommertour, die auch ganz nach oben führt.

 Annalena Baerbock (39) bei der Feuerwehr Amberg.

Annalena Baerbock (39) bei der Feuerwehr Amberg.

Foto: NILS LEON BRAUER / GRUENE

Der Tag ist gerade angelaufen, da kommt auch schon diese Frage. Annalena Baer­bock schweigt und genießt. Sie muss in diesem Fall ja nicht antworten, obwohl sie mittendrin ist in diesem Spiel um die Macht: Wer stellt die nächste Bundesregierung?

Bernd Montag, Adressat der Frage, beschäftigt sich normalerweise mit den Feinheiten der Magnetresonanztomografie. Sein Kollege Arthur Kaindl erklärt die „Lorentzkraft“, die eine Ladung in einem magnetischen oder elektrischen Feld erfährt. Zieht Macht gar magnetisch an? Die Grünen-Vorsitzende sagt vorbeugend zu möglichen Fragen im Fach Physik: „Testen Sie mich bitte nicht!“

Aber dann muss Montag, Chef von Siemens Healthineers, der Medizintechniksparte des Konzerns, doch diese Frage zu einer anderen Kraft beantworten. Zur Kraft der Grünen mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Bund. Ob er sich die Grünen in einer nächsten Bundesregierung denn vorstellen könne? Eine „spannende Frage“ sei das, sagt der Siemens-Manager.

Dann fügt er hinzu: „Natürlich kann ich das.“ Kurze Pause. „Weil ich auf die Umfragen schaue.“ Eine politische Aussage vermeidet der Siemens-Mann. Er vertraut lieber Zahlen. Nach dem jüngsten „Deutschlandtrend“ sind die Grünen mit 18 Prozent weiter zweitstärkste Kraft im Bund.

Baerbock ist an diesem August-Tag auf einer weiteren Etappe ihrer politischen Sommerreise unterwegs durch die Republik. Seit Anfang Juli touren die Grünen-Chefin und der Co-Vorsitzende Robert Habeck durch das Land. Eine Doppelspitze hat auch Vorteile: Man kommt einfach schneller durch die Regionen und zu den Leuten.

Besonders treibt die beiden Grünen-Chefs die Frage um, welche Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen sind, wie das Land im Falle künftiger Pandemien widerstandsfähiger und krisenfester werden könnte. Eine zentrale Rolle dabei spielt der Gesundheitssektor.

Baerbock ist an diesem Morgen bei den „Gesundheitspionieren“, den „Healthineers“ von Siemens in Erlangen, wo auch Vorstandschef Montag hofft, „dass wir gestärkt aus der Krise herausgehen“. Ein Blick für die Kameras durch die Kernspin-Röhre. Sie könnte auch gleich die Regierungschancen der Grünen durchleuchten lassen.

Baerbock betont bei Siemens wie später im Klinikum St. Marien im oberpfälzischen Amberg, dass Corona gezeigt habe, dass das Gesundheitswesen „Teil der kritischen Infrastruktur“ sei. Corona habe einer ganzen Nation vor Augen geführt, dass „auch ein großes Industrieland wie Deutschland verwundbar“ sei. Krankenhäuser müssten nachhaltiger finanziert werden, man müsse sich unabhängiger machen von internationalen Lieferketten.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Amberg betont die Grünen-Vorsitzende das Prinzip der Vorsorge. Besser, ein Land agiere vorausschauend. Baerbock: „Wir leisten uns eine Feuerwehr und hoffen, dass es nicht brennt.“ Die Männer vom Löschzug nicken. Baerbock, grün wie die Feuerwehr. Erst recht käme niemand auf die Idee, eine Feuerwehr ins Ausland zu verlagern, wie es eine Station weiter auf der Reise im Klinikum St. Marien Klinikchef Manfred Wendl beklagt, wenn etwa 80 Prozent der medizinischen Untersuchungshandschuhe in Malaysia produziert würden.

Wohl auch mit Blick auf die Pandemie haben die Grünen-Chefs ihre Sommerreise unter das Motto „… zu achten und zu schützen…“ gestellt, ein Zitat aus Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Zum einen ist dies auch ein Auftrag aus der Corona-Krise, in der Menschen in Krankenhäusern sterben mussten, ohne dass ihre nächsten Verwandten und liebsten Menschen bei ihnen sitzen durften. Die Ärzte und Pfleger im Klinikum St. Marien in Amberg hatten einige Fälle, die sie vor schwerste Gewissensentscheidungen gestellt haben.

Aber zumindest schützen wollen Baerbock und Habeck bei ihrer Sommerreise auch die Chancen der Grünen für die Bundestagswahl. Und sich dabei als Co-Vorsitzende gegenseitig immer achten. Denn: Baerbock und Habeck stehen in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander, auch wenn die beiden Parteichefs mit großer Disziplin darauf achten, sich davon nichts anmerken zu lassen. Denn noch haben die Grünen die Frage einer Kanzlerkandidatur nicht entschieden.

Baerbock und Habeck schweigen sich seit Monaten mit einer erstaunlichen Gewissenhaftigkeit darüber aus. Es gilt die alte Regel: Wer sich zuerst bewegt, verliert die Deckung. Zuletzt ergriff der Politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner bei der Vorstellung des Entwurfs des neuen Grundsatzprogramms dazu das Wort, während Baerbock und Habeck, die neben Kellner saßen, nichts sagten. „Wir werden das ganz selbstbewusst, aus eigener Kraft, zum richtigen Zeitpunkt entscheiden“, so Kellner.

Baerbock besteigt in Amberg mit Stadtbrandrat Bernhard Strobl da lieber den Korb einer Feuerleiter und lässt mit dem Teleskoparm 30 Meter in die Höhe fahren. Das produziert schöne Bilder. Die Grünen-Chefin ganz oben.

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