Streit über Restlaufzeiten Grüne laufen Sturm gegen Atompläne

Berlin (RPO). Erbitterter Streit über die Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke: Obwohl die Reststrommengen für mehrere Anlagen nahezu aufgebraucht sind, will die Bundesregierung alle 17 Kernkraftwerke zunächst weiterlaufen lassen. Die Opposition kündigte massiven Widerstand an, die Grünen warnten gar vor dem Aufbrechen eines lange befriedeten gesellschaftlichen Konflikts.

Greenpeace verschweißt Haupttor von AKW Krümmel
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"Wir brauchen nicht mehr Kernenergie, aber wir brauchen sie wahrscheinlich noch etwas länger als die willkürliche Festlegung durch Rot-Grün", sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen der "Financial Times Deutschland" (Montagausgabe). Es müsse einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie geben, die Kraftwerke liefen nur solange, bis der Ausbau der Erneuerbaren Energien sie überflüssig mache.

Konkrete Zahlen zur Laufzeitverlängerung will Röttgen erst nennen, wenn in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium verschiedene Energieszenarien berechnet seien. Bis zur Sommerpause will die Bundesregierung den Entwurf eines energiepolitischen Gesamtkonzepts vorlegen, das dann im Oktober verabschiedet werden soll.

Offenbar will Röttgen die Laufzeiten um höchstens acht Jahre verlängern. Das geht dem Magazin "Focus" zufolge aus internen Vorgaben seines Hauses für das Energiekonzept hervor. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wolle auch die Varianten 15 und 20 Jahre analysieren lassen.

Reststrommengen für zwei Reaktoren nahezu aufgebraucht

Derzeit sind für die Reaktoren Biblis A und Neckarwestheim 1 die Reststrommengen nach Daten des Bundesamts für Strahlenschutz nahezu aufgebraucht. Nach dem im Jahr 2002 verankerten rot-grünen Atomkonsens müssten sie dann vom Netz gehen. Nun sollen diese Reaktoren offenbar mindestens bis Herbst weiterlaufen. Dafür sollen nicht verbrauchte Stromkontingente von anderen Anlagen auf die Meiler übertragen werden.

Ein Regierungssprecher erklärte am Wochenende lediglich, bereits nach geltendem Recht könnten Reststrommengen unter bestimmten Bedingungen übertragen werden, ohne dass es der Genehmigung der Bundesregierung bedürfe. Eine derartige Verständigung liege in der Entscheidung der Betreiber.

Biblis A könnte noch zehn Jahre lang Strom liefern

Biblis A könnte laut der hessischen Umweltministerin Silke Lautenschläger sogar noch mindestens zehn Jahre lang Strom liefern. "Das ist vorstellbar", sagte die CDU-Politikerin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Voraussetzung sei allerdings, dass der älteste noch genutzte Atomreaktor Deutschlands künftigen verschärften Sicherheitsstandards genüge.

SPD und Grüne liefen Sturm dagegen, dass sämtliche Atomkraftwerke zunächst weiter laufen sollen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach von "blinder Lobbypolitik" und erklärte: "Wer uralte Pannen-Meiler wie Biblis A unbegrenzt am Netz lässt, setzt die Profite der Atomindustrie über die Sicherheit der Bevölkerung."

Grüne drohen mit massivem Widerstand

Ähnlich äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth. Sie monierte, das Argument der vermeintlichen "Brückentechnologie" werde endgültig ad absurdum geführt, "da die Schrott-Akw für die Stromproduktion hierzulande überhaupt nicht mehr gebraucht werden". Damit kündige die Bundesregierung "auch die Befriedung eines gesellschaftlichen Großkonflikts auf und wird sich auf massiven Widerstand von der Straße gefasst machen müssen".

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", die Grünen würden sich einer solchen Politik mit allem widersetzen, inner- und außerhalb des Parlaments.

(apd/jre)
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