Kampfansage an Hofreiter und Göring-Eckardt Özdemir will Fraktionschef der Grünen im Bundestag werden

Berlin · Cem Özdemir will zurück in eine gestaltende Position: Der Grünen-Politiker will die bisherigen Fraktionschefs seiner Partei im Bundestag ablösen und selbst an die Spitze der Abgeordneten rücken. Zusammen mit Kirsten Kappert-Gonther.

 Die Bildkombo zeigt Kirsten Kappert-Gonther und Cem Özdemir.

Die Bildkombo zeigt Kirsten Kappert-Gonther und Cem Özdemir.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der frühere Parteivorsitzende tritt bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands am 24. September im Team mit der Bremer Abgeordneten Kirsten Kappert-Gonther an. Das Bewerbungsschreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Die beiden wollen Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter ablösen, die erneut für die Doppelspitze kandidieren.

„Wir sind überzeugt davon, dass ein fairer Wettbewerb der Fraktion gut tut - nach außen wie nach innen“, schreiben der 53-jährige Özdemir und die 52-jährige Kappert-Gonther in ihrer Bewerbung. Bis zur Bundestagswahl gehe es darum, auch als kleinste Fraktion im Parlament „mit neuem Schwung der Gegenpol einer schwachen Regierung zu sein“. Die beiden stellen darin klar, dass sie für den nächsten Wahlkampf im Bund keine Spitzenkandidatur anstreben. Dafür gelten Grünen-intern die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck als de facto gesetzt.

Die Fraktionschefs werden zwar einzeln gewählt und nicht im Team, es muss aber mindestens eine Frau dabei sein. In der Regel sind auch beide Parteiflügel - Linke und sogenannte Realpolitiker - an der Spitze der Fraktion vertreten. Kappert-Gonther gehört wie Hofreiter zu den Parteilinken, Özdemir und Göring-Eckardt sind „Realos“.

Özdemir war bei der Bundestagswahl noch Parteichef und neben Göring-Eckardt Spitzenkandidat der Grünen. Nach dem Scheitern der Gespräche für eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP wurde er Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag und trat damit politisch in die zweite Reihe. Für den Parteivorsitz hatte er nicht erneut kandidiert.

Das Duo Göring-Eckardt/Hofreiter führt die Fraktion bereits seit Oktober 2013. Bei der vorigen Fraktionswahl im Januar 2018 hatten die beiden ohne Gegenkandidaten jeweils nur rund zwei Drittel der Stimmen der 67 Grünen-Abgeordneten bekommen.

„Wir sind die kleinste Oppositionsfraktion, aber tragen große Verantwortung“, schreiben Özdemir und Kappert-Gonther, die seit 2017 im Bundestag sitzt und dort Sprecherin der Grünen für Drogenpolitik ist. „Diese Verantwortung wollen wir mit Euch gemeinsam annehmen und bewerben uns als Team bei Euch als Fraktionsvorsitzende.“ Die Fraktion sei am „schlagkräftigsten“, wenn jeder und jede „eine aktive Rolle übernimmt und die eigenen Stärken auch ausspielen kann“. Zusammenarbeit solle nicht „Zuarbeit aus fein parzellierten Kleingärten“ sein, sondern „ein gemeinsames Einstehen für miteinander entwickelte Projekte“.

CEM ÖZDEMIR: Fast zehn Jahre lang war der Schwabe Chef der Grünen - keiner stand länger an der Parteispitze. Der Sohn türkischer Gastarbeiter erzählt gern von seinem Aufwachsen zwischen zwei Kulturen im baden-württembergischen Bad Urach, seiner teils holprigen Schullaufbahn und von seiner Ausbildung als Erzieher, auf die ein Sozialpädagogik-Studium folgte. Integration ist neben der Wirtschaftspolitik eines der wichtigsten Themen des Realpolitikers, auch mit Kritik an der türkischen Regierung macht er immer wieder Schlagzeilen.

Bei den Grünen ist der 53-Jährige seit 1981. Er zog 1994 als erster Abgeordneter türkischer Herkunft in den Bundestag ein. Von 2004 bis 2009 war Özdemir Abgeordneter des EU-Parlaments. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Der begeisterte Fan des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart zählte nach der Bundestagswahl 2017 und dem Platzen der Gespräche über eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition zu den Verlierern: Statt Bundesminister zu werden, übernahm er den Vorsitz des Verkehrsausschusses im Bundestag.

KIRSTEN KAPPERT-GONTHER: Die 52-Jährige ist erst seit gut zwei Jahren in der Bundespolitik aktiv, nach sechs Jahren als Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft wurde sie im September 2017 in den Bundestag gewählt. In der Fraktion ist die gebürtige Marburgerin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Sprecherin für Drogenpolitik und Gesundheitsförderung.

Ihre Leidenschaft für die Politik entdeckte Koppert-Gonther in den 80er Jahren, als sie sich gegen Atomkraft und Rüstung engagierte. „Zu den schönsten Erinnerungen dieser Zeit zählen die großen Friedensdemos im Bonner Hofgarten, als wir dachten, dass es gar keine andere Position als unsere geben könnte. Die gab es dann leider doch, die Raketen wurden stationiert“, schreibt sie auf ihrer Homepage. Die überzeugte Fahrradfahrerin Kappert-Gonther ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

(felt/dpa)
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