Umfrage der EU-Kommission Große Mehrheit der Ostdeutschen unzufrieden mit Ukraine-Politik
Exklusiv | Berlin · Nur ein Drittel der Menschen in ostdeutschen Bundesländern unterstützt das Handeln der EU und der Bundesregierung nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Noch schlechter steht es im Osten um die Zufriedenheit mit der Demokratie in Europa. Der Unterschied zu Westdeutschland ist enorm.
Nirgendwo sonst in der Europäischen Union ist die Unzufriedenheit mit der Demokratie in Europa so groß wie in Ostdeutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der EU-Kommission, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach gaben lediglich 25 Prozent der Ostdeutschen an, zufrieden zu sein mit dem politischen System in der EU. In Westdeutschland sind es knapp 60 Prozent, EU-weit rund 56 Prozent.
Befragt wurden Menschen in allen 27 EU-Staaten zwischen dem 12. Januar und dem 6. Februar dieses Jahres. Auch in zwölf anderen Ländern wurde die Bevölkerung nach ihrer Zufriedenheit mit der EU befragt, darunter beispielsweise in den Beitrittskandidatenländern Albanien, Bosnien, Serbien und der Türkei sowie in Norwegen, der Schweiz und im Vereinigten Königreich.
Besonderes Augenmerk richtete die jüngste Ausgabe des regelmäßig erscheinenden „Eurobarometer“ auch auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und auf die Zufriedenheit der Menschen mit den Reaktionen der EU und der Mitgliedsländer auf die Krise. So gab eine knappe Mehrheit von 51 Prozent der Deutschen an, mit der Reaktion der EU auf den russischen Angriffskrieg zufrieden zu sein. Dieser Wert wird jedoch stark von der Unzufriedenheit in Ostdeutschland geprägt: Dort sind nämlich nur jeweils weniger als ein Drittel der Menschen zufrieden mit dem Handeln der Bundesregierung und mit dem der EU nach Beginn des Krieges.
Mit Blick auf die einzelnen Maßnahmen erfahren die Wirtschaftssanktionen noch den größten Rückhalt. 74 Prozent der Europäer befürworten diese, in Westdeutschland sind es sogar 79 Prozent. In Ostdeutschland jedoch nur 53 Prozent.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Waffenlieferungen und anderer militärischer Hilfe für die Ukraine. Diese werden von 65 Prozent der Europäer befürwortet, in westdeutschen Bundesländern von 69 Prozent. Im Ostteil der Bundesrepublik sind 55 Prozent der Befragten gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.
Was die humanitäre Unterstützung angeht, sind die Werte deutlich höher. So findet die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Menschen, die vom Krieg betroffen sind, Zustimmung bei 92 Prozent in Deutschland. Dieser Wert weicht nicht ab zwischen Ost- und Westdeutschland.
Jörg Wojahn, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, sieht den Kurs der EU im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine grundsätzlich bestätigt. „Insgesamt steht die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer weiter hinter dem klaren Kurs, den Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten fahren: Geld und humanitäre Hilfe für die von Russland überfallene Ukraine, Aufnahme von Geflüchteten – wir sehen da große Zustimmungswerte“, so Wojahn. Auf die Frage, was die Bundesregierung aus EU-Sicht tun sollte, um für mehr Zustimmung in Ostdeutschland zu werben, sagte Wojahn: „Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, ist da sicher der bessere Ansprechpartner. Es ist nicht an uns als EU-Kommission, Regierungen der Mitgliedstaaten öffentlich Ratschläge zu geben“, so der EU-Vertreter. „Nur eines vielleicht: Das Bemerkenswerte aus europäischer Sicht ist der Unterschied zwischen Ostdeutschland und Ländern, die ebenfalls unter sowjetischer Herrschaft standen“, sagte Wojahn.
Besonders deutlich wird der Unterschied sodann auch bei der Frage nach dem Vertrauen in die EU. Den Umfrageergebnissen zufolge vertrauen insgesamt 45 Prozent der Deutschen der EU. Bei genauerem Hinsehen sind es aber vor allem die Ostdeutschen, die der EU misstrauen: 69 Prozent. Während die Westdeutschen gespalten sind und mit gut 50 Prozent ihr knapp mehrheitlich vertrauen.
Wojahn nutzte die Ergebnisse der jüngsten Umfrage, die seit den 1970er-Jahren regelmäßig erscheint, um für mehr Beteiligung in Europa zu werben. „Die Menschen in Deutschland und in der EU wollen, dass wir unsere gemeinsamen Werte überzeugt und offensiv vertreten. Auch und gerade gegen die russische Aggression“, so Wojahn. Demokratie sei die Basis unserer Werte, und dazu gehöre die aktive Beteiligung der Menschen. Im Frühjahr 2024 steht die nächste Wahl des Europaparlaments an.