Nach Treffen in Berlin Union für Sondierung - SPD entscheidet am Freitag

Berlin · Die Spitzen von CDU und CSU haben sich nach dem Treffen mit der SPD für Sondierungen zur Bildung einer großen Koalition ausgesprochen. Die Genossen wollen sich am Freitag in den Gremien beraten und dann entscheiden.

Die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD hätten "ein offenes und vertrauensvolles Gespräch geführt", hieß es in der gemeinsamen Erklärung der drei Parteien weiter. Die Vertreter von CDU, CSU "haben deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen". Nach den Beratungen in den SPD-Gremien dürfte sich auch klären, ob es vor Weihnachten zu weiteren Gesprächen kommt oder mögliche Sondierungen erst im neuen Jahr aufgenommen werden.

80 Tage nach der Bundestagswahl hatten die Spitzen von Union und SPD einen neuen Anlauf zur Bildung einer Bundesregierung gestartet. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kam mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz, CSU-Chef Horst Seehofer, den Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles (SPD) und Volker Kauder (CDU) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags zusammen. Vor dem Treffen hatte es Mahnungen aus der Union an die SPD gegeben, nicht mit immer neuen Vorschlägen die Bildung einer stabilen Koalition zu erschweren.

Um das Treffen war ein großes Geheimnis gemacht worden, Schulz nahm den Hintereingang - das Treffen fand im Bundestag bei der CDU-Fraktion statt. Schulz hatte gefordert, sich öffentlich nach dem Treffen zurückzuhalten; die Basis hatte beim Parteitag kritisiert, dass die SPD-Führung sich innerlich längst auf die "Groko" vorbereite.

Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf Sondierungen auch über die beiden anderen Regierungsalternativen. "Die SPD wird - wenn überhaupt - nur offen sondieren", sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Deutschen Presse-Agentur.

Konkrete Ergebnisse des Gesprächs wurden jedoch nicht bekannt. Streitpunkte sind unter anderem das von der SPD geforderte Ende einer "Zwei-Klassen-Medizin" und die Frage, ob ab dem Frühjahr wieder ein Familiennachzug bei Flüchtlingen zum Beispiel aus Syrien möglich sein soll, was die CSU ablehnt. Hinzu kommt die von der SPD geforderte höhere Steuer für Reiche. Weitgehend einig ist man sich über mehr Investitionen in Pflege, Wohnungsbau sowie einer Stärkung von Polizei und Justiz angesichts der neuen Herausforderungen.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warnte die Union indirekt vor Arroganz: Ohne CSU-Chef Horst Seehofer namentlich zu nennen, sagte Dreyer unserer Redaktion, CDU und CSU hätten aus den gescheiterten Jamaika-Sondierungen nicht gelernt. Es sei wenig hilfreich, "in dieser Form über eine Partei zu sprechen, deren Unterstützung man braucht". Seehofer hatte eine von der SPD in die Debatte gebrachte "Kooperationskoalition" mit teilweise wechselnden Mehrheiten als Vorschlag aus der "Krabbelgruppe" bezeichnet.

Ein SPD-Parteitag hatte für ergebnisoffene Gespräche mit der Union plädiert, allerdings muss sich die Parteiführung mehrfach mit der Basis rückkoppeln. So soll über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen ein Sonderparteitag entscheiden. Sollte ein Koalitionsvertrag ausgehandelt werden, müssten diesem die SPD-Mitglieder zustimmen.

Die deutsche Wirtschaft wird wegen der schleppenden Regierungsbildung langsam ungeduldig. "Wir müssen wissen, wohin die Reise geht", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der Sozialverband VdK Deutschland forderte ein Ende des Stillstands.

(juju/csi/dpa/rtr)
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