Spitzentreffen der Koalition Die Rückkehr zur Sachpolitik ist notwendig

Meinung | Berlin · Monatelang lavierte die Regierung in Berlin im Krisenmodus zwischen Flüchtlingen und Terror. Dabei musste sie hilflos zusehen, wie die rechtspopulistische AfD immer stärker wurde. Nun unternimmt die große Koalition den Versuch, zur Sachpolitik zurückzukehren. Und das ist notwendig.

 Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf dem Weg zum Spitzentreffen der Koalition.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf dem Weg zum Spitzentreffen der Koalition.

Foto: dpa, fis hpl

Viele Gemeinsamkeiten haben Union und SPD in dieser Regierung nicht mehr. Doch angesichts der dramatisch sinkenden Umfragewerte sind beide Seiten getrennt zur gemeinsamen Erkenntnis gekommen, dass man dem Erstarken der Rechtspopulisten insbesondere mit praktischen Problemlösungen begegnen muss. Daher ist das Signal von Dienstagabend positiv. Gleich mehrere Streitthemen konnten abgeräumt werden: Leih- und Zeitarbeit, die Flexi-Rente und der rechtliche Umgang mit WLAN.

Auf diesem Weg sollte die große Koalition möglichst noch bis Ende des Jahres weitergehen. Denn je früher der Wahlkampf beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den Rechtspopulisten nutzt. Die könnten mit dem Finger auf die Regierung zeigen und sagen: Seht her, die streiten nur und wollen sich jetzt schon die Pöstchen und Dienstwagen für die nächste Wahlperiode sichern. Probleme, die dringend gelöst werden müssen, gibt es noch genug, um sich bis Ende des Jahres mit inhaltlicher Arbeit zu befassen: Bund-Länder-Finanzen, Rentenreform, EEG, Integrationsgesetz, Sexualstrafrecht, Entgeltgleichheit — um nur einige zu nennen.

Debatte über Alltagssorgen in Hintergrund gerückt

Mit den Terroranschlägen in unseren Nachbarländern und der europäischen Flüchtlingskrise war die große Koalition mit Problemen von ungewöhnlicher Tragweite konfrontiert. Dadurch hat sich die Gesellschaft in einem Ausmaß politisiert und gespalten, wie wir es wohl seit den 68ern nicht mehr erlebt haben.

Zugleich ist die politische Debatte über die Alltagssorgen der Menschen völlig in den Hintergrund gerückt: Gesundheit, Pflege, Rente, Bildung, Steuern. Die Kombination dieser beiden Umstände hat den Rechtspopulisten das Geschäft leicht gemacht.

Wenn Union und SPD nicht weiter in der Wählergunst abstürzen wollen, müssen sie die Phase nach Abebben des Flüchtlingszustroms nutzen, um ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen. Das gilt für die politische Sacharbeit an den Alltagsproblemen der Bürger ebenso wie für eine an klare Bedingungen geknüpfte Integrationspolitik für die 1,5 Millionen Menschen, die im Zeitraum eines guten Jahres zu uns gekommen sind.

(qua)
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