„Das will niemand“ Vizekanzler Scholz schließt weitere große Koalition nach der nächsten Wahl aus

Berlin · CDU, CSU und SPD regieren seit 2013 miteinander. Eine weitere Koalition wolle niemand, sagt der Vizekanzler. Ex-Parteichef Martin Schulz erklärt derweil seinen Verzicht, am Dienstag gegen Andrea Nahles bei der Abstimmung um den Fraktionsvorsitz anzutreten.

 Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz will nach der nächsten Bundestagswahl nicht mehr mit CDU und CSU koalieren.

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz will nach der nächsten Bundestagswahl nicht mehr mit CDU und CSU koalieren.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Nach dem Desaster der SPD bei der Europawahl schließt Vizekanzler Olaf Scholz eine weitere Koalition mit der CDU/CSU nach der nächsten Bundestagswahl schon jetzt aus. „Ich bin ganz sicher, dass es nicht vertretbar wäre, dass wir nach der vierten großen Koalition noch eine fünfte bekommen“, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Drei große Koalitionen in Folge würden der Demokratie in Deutschland nicht guttun. Eine Fortsetzung der heutigen Koalition nach 2021 will niemand – nicht die Bürgerinnen und Bürger, nicht die Union – und wir Sozialdemokraten schon gar nicht.“

Bereits nach der letzten Bundestagswahl 2017 hatte sich die SPD zunächst gegen eine große Koalition entschieden. Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine „Jamaika-Koalition“ zwischen Union, FDP und Grünen willigte sie dann doch in ein Bündnis mit CDU und CSU ein.

Damit regieren die drei Parteien jetzt seit 2013 miteinander. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 sowie 2005 und 2009 sogenannte große Koalitionen. Nach der jüngsten Forsa-Umfrage im Auftrag von n-tv und RTL kämen CDU, CSU und SPD zusammen inzwischen bei der Bundestagswahl aber nur noch auf 38 Prozent und wären weit von einer Mehrheit entfernt. Für die SPD ist damit eine Koalition mit Grünen und Linken das einzig realistische Bündnis.

In dieser Dreier-Konstellation sind die Grünen der Forsa-Umfrage zufolge aber mit 27 Prozent die mit Abstand stärkste Kraft vor der SPD mit nur noch 12 Prozent. Bei der Europawahl hatte die SPD mit 15,8 Prozent das bisher schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.

Das Debakel hat eine Debatte über die Zukunft von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles ausgelöst. Am Dienstag könnte es zum Showdown kommen. Dann will sich Nahles in der Bundestagsfraktion vorzeitig zur Wahl stellen. Bisher gibt es keinen Gegenkandidaten. Sollte Nahles scheitern, könnte sie auch als Parteichefin stürzen.

Als mögliche Kandidaten für eine Nachfolge von Nahles an der Spitze der Fraktion waren zuletzt unter anderem Ex-SPD-Chef Martin Schulz und der Chef der NRW-Landesgruppe, Achim Post, genannt worden.

Vergangenen Mittwoch wurde aber bekannt, dass Schulz in einer E-Mail an die SPD-Abgeordneten ankündigte, auf eine Kandidatur zu verzichten. In der „Welt am Sonntag“ begründete er dies mit persönlichen Gründen, die er nicht näher ausführen wolle. Auf die Frage, ob er ausschließe, zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten, sagte der frühere Kanzlerkandidat lediglich: „In einem Brief habe ich den Abgeordneten unserer Fraktion geschrieben, dass ich zur Wahl am Dienstag nicht antrete, dass dies seit zwei Wochen zwischen mir und Andrea Nahles klar war, und dass ich sie selbstverständlich informieren würde, sollte ich gegen sie antreten wollen.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post ging davon aus, dass es noch einen Gegenkandidaten zu Nahles geben werde. „Es wird eine Bewerbung geben, davon bin ich fest überzeugt“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Post hatte die Fraktionschefin zuletzt zum Rücktritt aufgefordert.

Die stellvertretenden SPD-Vorsitzenden stärkten Nahles derweil nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ den Rücken. „Die massive öffentliche Kritik an Andrea Nahles ist unfair“, heißt es demnach in einer gemeinsamen Stellungnahme von Scholz, den Ministerpräsidentinnen von Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer und Manuela Schwesig, den Landeschefs von Bayern und Hessen, Natascha Kohnen und Thorsten Schäfer-Gümbel, sowie dem schleswig-holsteinischen Fraktionschef Ralf Stegner. Sie mahnen einen solidarischen Umgang mit Nahles an. Sie habe schließlich „in einer sehr schweren Phase“ den Vorsitz der Partei übernommen.

Zuspruch erhielt Nahles auch vom CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dieser sagte der „Bild am Sonntag“: „Andrea Nahles hat echte Handschlagqualität, ist eine absolut verlässliche Partnerin. Das Problem der SPD heißt nicht Andrea Nahles, das Problem heißt Linksruck, Enteignungsfantasien und Sozialismusromantik.“

(mja/dpa)
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