Große Koalition Debatte über Kanzlerin-Wechsel sorgt für Unruhe

Berlin · SPD würde Kramp-Karrenbauer als Merkel-Nachfolgerin nicht akzeptieren. Kahrs nennt sie „reaktionär“. Merkel: „Wir haben viel Gutes bewegt.“

 Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ein Jahr nach der Vereidigung des vierten und letzten Bundeskabinetts von Kanzlerin Angela Merkel kommt die große Koalition wegen Spekulationen über einen vorzeitigen Amtswechsel zu Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) nicht zur Ruhe. SPD-Politiker warnten auch am Dienstag wieder, dass sie die neue CDU-Vorsitzende nicht als Nachfolgerin Merkels im Kanzleramt akzeptieren würden. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) nannte die wiederkehrenden Personaldebatten unterdessen sinnlos, die Union wolle inhaltlich arbeiten.

NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sagte unserer Redaktion mit Blick auf Kramp-Karrenbauers Karnevalswitz über Toiletten für Intersexuelle, im Gegensatz zu den Konservativen profiliere sich die SPD nicht auf Kosten von Minderheiten. Sein Landesverband SPD werde im Bund weiter für inhaltliche Klarstellung sorgen wie in der Debatte über das Ende von Hartz IV und über die Grundrente. „Wir machen jetzt Druck bei der Digitalsteuer, damit große Internetgiganten endlich Steuern zahlen. Wir müssen Spekulationen mit Grund und Boden verhindern und die soziale Eigentumsverpflichtung voranbringen, damit Miete und Baupreise nicht durch die Decke gehen.“ Auch eine Vermögenssteuer könne helfen, zentrale Gerechtigkeitsprobleme zu lösen.

SPD-Vize Ralf Stegner erklärte, die SPD arbeite den Koalitionsvertrag ab und entwerfe ein klares sozialdemokratisches Profil der Regierung während Kramp-Karrenbauer ihre konservativen Überzeugungen mit Witzen zu kaschieren versuche oder militärische Aufrüstung fordere. Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs nannte Kramp-Karrenbauer sogar „reaktionär“. Dem Nachrichtensender „Welt“ sagte er: „Ich persönlich glaube nicht, dass jemand, der politisch so reaktionär ist, Lesben und Schwule seit Jahren immer in die Ecke stellt, die Öffnung der Ehe ablehnt, irgendetwas mit Zukunft zu tun hat oder gar mit der großen Koalition.“

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD war am 12. März 2019 unterzeichnet und das Kabinett am 14. März vor dem Bundestag vereidigt worden.

Trotz der beiden schweren Regierungskrisen - zunächst zwischen CDU und CSU und dann zwischen Union und SPD -, die im vorigen Jahr fast zum Bruch der Koalition geführt hätten, sagte Merkel: „Dieses Jahr Arbeit in der Regierung hat sich wirklich gelohnt. Und zwar nicht für uns jetzt vordergründig, sondern für die Menschen im Lande. Und wir haben vieles Gutes bewegt.“ Unter dem Eindruck eines sinkenden Wirtschaftswachstums durch Handelsstreit, schwächelnder Weltkonjunktur und Risiken wie den Brexit kündigte Merkel an, „alles auf Wachstum“ zu setzen, damit sich die Arbeitsmarktlage nicht verschlechtere.

Der Parlamentarische Unionsgeschäftsführer, Michael Grosse-Brömer (CDU), betonte, die Union wolle die Koalition mit Merkel an der Spitze bis 2021 zum Erfolg führen. Er distanzierte sich vom Vorsitzenden der konservativen WerteUnion, Alexander Mitsch, der seit langem Merkels Ablösung verlangt. Die Werte-Union sei keine Gruppierung der CDU, auf CDU-Parteitagen bekomme Mitsch so gut wie keinen seiner vielen Anträge durch.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Diese müssten im Haushalt klar erkennbar sein. Angesichts langsamer wachsender Steuereinnahmen müssten Prioritäten gesetzt werden. Ausgabenwünsche der SPD wie eine Grundrente ohne Bedarfsprüfung hätten keine Priorität, weil es dazu keine Vereinbarung im Koalitionsvertrag gebe.

Am Donnerstag wollen die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss die Eckpunkte der mittelfristigen Finanzplanung besprechen. Die Union mutmaßt, dass Scholz eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsetats – wie mit den Nato-Partnern vereinbart - unterlaufen wolle. Kramp-Karrenbauer spricht sogar von einem „Ausbluten" von Unions-geführten Ministerien.

(jd/kd)
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