Zuzahlungsgrenzen für Geringverdiener Gesundheitsreform: Neuer Krach in großer Koalition

Berlin (rpo). Die Einigung auf einen Gesundheitskompromiss ist erst wenige Tage unter Dach und Fach, da bahnt sich ein neuer Konflikt zwischen Union und SPD an. Die Union fordert, dass auch Geringverdiener Zusatzbeiträge zur Krankenkasse von bis zu acht Euro zahlen sollen. Die SPD ist strikt dagegen.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer machte deutlich, dass Zusatzbeiträge bis zu acht Euro eingezogen werden sollen, auch wenn bei Geringverdienern damit die Belastungsgrenze von einem Prozent des Bruttoeinkommens überschritten wird.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach protestierte dagegen: "Das ist so nicht vereinbart worden und wäre für uns auch nicht verhandelbar." Derweil werden in SPD und CDU weitere Nachbesserungen gefordert. Der DGB dringt sogar auf einen Neustart der Verhandlungen.

Union und SPD hatten vereinbart, dass die Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben können, wenn sie mit ihren Beitragseinnahmen nicht auskommen. Dieser Beitrag soll ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens nicht überschreiten dürfen. Eine Einkommensprüfung soll es aber erst geben, wenn eine Kasse mehr als acht Euro zusätzlich verlangt.

"Die acht Euro sind eine Art Sockelbetrag", sagte Ramsauer. Auch wer weniger als 800 Euro verdiene, müsse "auf jeden Fall bis zu acht Euro Zusatzbeitrag zahlen, wenn die Kasse es will". In Regierungskreisen hieß es nach Angaben der "Berliner Zeitung" dazu, sollte die Union auf ihrer Lesart bestehen, "wird es in der SPD einen Aufstand geben". Lauterbach betonte: "Es ist erstaunlich, mit welch billigen Tricks die Union die Kopfpauschale für alle durch die Hintertür einführen will."

Linke fordert Nachbesserungen

Die Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion fordert Nachbesserungen am Gesundheitskompromiss. "Bei der Gesundheitsreform geht es nicht um die Rettung der großen Koalition, sondern um die optimale medizinische Versorgung der Menschen", sagte der Sprecher des linken SPD-Flügels, Ernst Dieter Rossmann und kündigte kritische Debatten in der Bundestagsfraktion am 17. und 24. Oktober an. Insbesondere kritisierte er die Zusatzprämie von acht Euro als "unausgegoren".

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) mahnt ebenfalls Ergänzungen an. "In weiteren Reformschritten sollte die Eigenverantwortung der Versicherten stärker gewichtet werden. Ich bin sehr dafür, gesundheitsbewusstes Verhalten zu honorieren." Konkret forderte Böhmer: "Krankheiten, die auf eine ungesunde Lebensweise zurückzuführen sind, sollten aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ausgegliedert und privat versichert werden." Bei der Umsetzung der Eckpunkte in Gesetzestexte "wird sich aber sicherlich noch Gesprächsbedarf ergeben".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert sogar einen Neustart der Reform. "Wenn die große Koalition schlau ist, würde sie erkennen, dass sie ein Modell entwickelt hat, das nicht trägt und von den Fachleuten verworfen wird. Sie würde noch mal von vorne anfangen", sagte DGB-Chef Michael Sommer. "Das Positivste ist, dass die Einführung des Gesundheitsfonds auf 2009 verschoben wurde." Den Zusatzbeitrag für die Krankenkassen nannte der DGB-Chef einen "Einstieg in die Kopfpauschale - und eine Bestrafung für alle Geringverdiener und 'Hartz IV'-Empfänger."

"Tragfähiger Kompromiss"

Der Vizechef der CDU-Sozialausschüsse, Gerald Weiß, unterstützte derweil den Kompromiss. Die Einigung sei ein "tragfähiger Kompromiss" und besser als ihr Ruf, sagte der Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses des Bundestages. So gebe es für die Entkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten "erste zaghafte Ansätze". Auch die Möglichkeiten für direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungsanbietern hob Weiß hervor.

Die privaten Krankenversicherer drohen unterdessen mit einer Verfassungsklage. Wenn es bei der Umsetzung der Pläne bleibe, "wird eine verfassungsrechtliche Klärung unausweichlich sein", sagte der Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherung, Volker Leienbach. Der geforderte Basistarif bedeute einen "Eingriff in bestehende Verträge", der verfassungswidrig sei. Als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz wertete er, dass zwar in der gesetzlichen Krankenversicherung die Beiträge für die Kinderversicherung aus Steuern finanziert werden sollten, in der Privatversicherung aber nicht.

(afp)
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