Organspende-Skandal Gesundheitsminister Bahr lädt zum Krisentreffen

Berlin · Das Gesundheitsministerium bestätigte, dass Bahr für den 27. August Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und Krankenkassen sowie Transplantationsexperten zu einem Gespräch über mögliche Konsequenzen aus dem Skandal um Organspenden eingeladen hat. Auch im Gesundheitsministerium würden derzeit Ideen gesammelt. Allerdings sei es vor allem Aufgabe der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, Vorschläge vorzulegen, betonte die Sprecherin.

Die wichtigsten Fakten zur Organspende
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Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

Bundesärztekammer und die in der Transplantationsmedizin eingebundene Stiftung Organtransplantation verlangten am Freitag zusätzliche fachliche Kontrollen, lehnten mehr staatliche Aufsicht aber ab. Die Staatsanwaltschaft in Regensburg geht weiter davon aus, dass die mutmaßlichen Datenfälschungen auf das Konto eines Einzeltäters gehen.

Der ehemalige Oberarzt am Uniklinikum Regensburg wird verdächtigt, dort 2004 bis 2006 mindestens 23 Patientenakten manipuliert haben, um ihnen bevorzugt zu einer Lebertransplantation zu verhelfen. Der Mediziner wechselte 2008 an das Uniklinikum nach Göttingen, wo er auch Daten von Aspiranten für eine Lebertransplantation gefälscht haben soll. Er ist dort mittlerweile suspendiert. Sein ehemaliger Vorgesetzter in Regensburg ist inzwischen beurlaubt, weil er möglicherweise seiner Kontrollpflicht nicht ausreichend nachgekommen ist.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, die Zahl der Lebertransplantationen in Regensburg sei auch nach dem Weggang des Arztes weiter angestiegen: um mehr als 40 Prozent von 48 Transplantationen 2008 auf 69 im Jahr 2009. Eine solche Steigerung gelte als ungewöhnlich, zumal selbst die größten deutschen Transplantationszentren nur rund 100 Lebern pro Jahr verpflanzten.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, ihr lägen diese Informationen bislang nicht vor.

DSO: "Staatliche Kontrollen nicht sinnvoll"

Der Medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Günter Kirste, lehnte bereits zusätzliche staatliche Kontrollen zur Vermeidung von Manipulationen als nicht sinnvoll ab. "Das hilft nicht," sagte der Professor der dapd und kritisierte solche Vorschläge aus der Politik als vorschnell. Vielmehr sollte eine zusätzliche "fachliche Ebene eingeführt werden, die auch die Kompetenz hat, zu kontrollieren", sagte Kirste. "Dann haben wir das Problem gelöst."

Unabhängiger Arzt soll Wartelisten überprüfen

Konkret sollten die Anmeldungen auf den Wartelisten für eine Transplantation von Ärzten überprüft werden, die nichts mit Organtransplantationen zu tun haben. Dieses Modell habe sich bei der Feststellung des Hirntods bewährt. Der Hirntod muss festgestellt sein, bevor einem Verstorbenen Organe entnommen werden dürfen. Diese Mediziner könnten von den Landesärztekammern bestimmt werden, sagte Kirste.

Die in Frankfurt am Main ansässige Stiftung nimmt koordinierende Aufgaben in der Transplantationsmedizin wahr. So stimmt sie die Zusammenarbeit zwischen rund den rund 50 Transplantationszentren und den Krankenhäusern mit Intensivstation ab.

Montgomery greift Bayern an

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, forderte zudem mehr Geld für zusätzliche Prüfer. Der Zeitung "Die Welt" sagte er, es solle nach amerikanischem Vorbild spezielle Prüfer geben, die flächendeckend kontrollierten, aber auch ganze Verläufe von Transplantationen begutachten könnten. "Dafür ist mehr Personal und mehr Geld nötig", sagte Montgomery. Bisher könnten Prüfer nur Einzelfällen nachgehen. Auch das berufsrechtliche Instrumentarium der Ärzte müsse geschärft werden: "Wir müssen zu stärkeren Sanktionen kommen. Man könnte Ärzten, die sich nicht korrekt verhalten, bestimmte Tätigkeiten wie etwa Transplantationen verbieten."

Deutliche Vorwürfe richtete der Ärztepräsident an die Adresse der zuständigen staatlichen Stellen in Bayern. Im Inforadio des RBB sagte er: In Bayern haben gerade die staatlichen Gremien versagt, denn wir haben damals mit der Selbstverwaltung diesen Fall aufgedeckt. Wir haben mit den bayerischen Institutionen gesprochen.
Niemand hatte auch nur die Spur eines Interesses, diesen Fall damals zu verfolgen."

(APD)
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