Geständnis im Mordfall Lübcke Verfassungsschutz-Chef räumt „Analyseschwäche“ beim Rechtsextremismus ein

Berlin · Der rechtsextreme Stephan E. hat zugegeben, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni getötet zu haben. Er will die Tat allein vorbereitet haben. Doch die Ermittlern haben Zweifel an dieser Aussage.

 Generalbundesanwalt Peter Frank (links) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch im Bundestag.

Generalbundesanwalt Peter Frank (links) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch im Bundestag.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Stephan E. habe ausgesagt, die Tat allein vorbereitet und durchgeführt zu haben, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittwoch nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestags. Ob es wirklich keine Helfer oder Mittäter gegeben habe, könnten nur die weiteren Ermittlungen ergeben. Es liege ein politisches Motiv vor, sagte Frank.

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung im Kopf auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen bei Kassel gefunden worden. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Lübcke war wegen seiner offenen Haltung zur Aufnahme von Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte 2015 auf einer Veranstaltung gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne Deutschland verlassen.

Der 45-jährige Stephan E. war mehrfach vorbestraft und in früheren Jahren durch Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgefallen. Seit einigen Jahren hatte ihn der Verfassungsschutz jedoch nicht mehr auf dem Radar. In den Sicherheitsbehörden waren bis 2012 viele Akten vernichtet worden. Innenpolitiker fragen sich, ob ein Zusammenhang besteht zwischen Stephan E. und der rechten Terrorzelle NSU, die zwischen 2000 und 2007 aus rassistischen Motiven zehn Morde verübte.

„Der Kampf gegen Rechtsextremismus erfordert eine klare Absetzung vom Rechtsextremismus“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In der Debatte dürften keine Lücken eröffnet werden, die Gedanken ermöglichten, die solchen Taten irgendeine Legitimität verschafften, sagte sie im Bundestag. Vor allem in ihrer Partei gibt es eine intensive Debatte über die AfD, der viele Politiker vorwerfen, den Nährboden für die wachsende Gefahr rechtsextremistischer Gewalttaten geschaffen zu haben. Die CDU-Spitze hatte am Montag „jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD“ ausgeschlossen.

Während der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch räumte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang nach Informationen unserer Redaktion ein, dass es beim Rechtsextremismus eine „Analyseschwäche“ der Nachrichtendienste gebe. Innenminister Horst Seehofer (CSU) lässt nach eigenen Angaben jetzt ein Verbot gegen rechtsextremistische Gruppierungen wie „Combat 18“ prüfen.

„Es ist erforderlich, dass Innenminister Seehofer im Fall Lübcke eine Task Force in seinem Ministerium einrichtet, die auch mit Expertise von außen untersucht, ob die Tat Bezüge zu rechtsextremen Strukturen und zum NSU aufweist“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. „Wir können nicht warten, bis der Verfassungsschutz umgebaut ist und seine Defizite bei der Beobachtung und Analyse der rechtsextremistischen Szene behoben hat. Wir brauchen jetzt eine schnelle und effiziente Aufklärung, auch um die vielen Kommunalpolitiker zu schützen, die bedroht werden.“

Der Innenexperte der Unionsfraktion, Armin Schuster (CDU), forderte eine bessere Strafverfolgung und mehr staatliche Maßnahmen gegen Hass und Hetze. Die Gerichte forderte er auf, Anzeigen aufgrund entsprechender Postings ernster zu nehmen. „Die Einstellungspraxis mancher Gerichte bei Anzeigen auch aufgrund des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sollte sich dringend ändern. Das würde auch das Anzeigeverhalten deutlich verbessern“, sagte Schuster unserer Redaktion. Der CDU-Politiker verwies zudem darauf, dass das Bundeskriminalamt schon jetzt mit den Ländern sporadische Aktionstage gegen Hasspostings koordiniere. Das sei ein guter Ansatz. „Darauf müsste jetzt ein viel größerer Schwerpunkt gelegt werden, sollte also deutlich ausgeweitet werden.“ Zudem forderte Schuster: „Wir müssen darüber beraten, wie wir die Strafbarkeit von Providern im Darknet besser fassen, wenn dort solche Aktivitäten laufen.“

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