Disput um Memoiren des Ex-Präsidenten Gerhard Schröder gegen George W. Bush

Berlin (RP). In einem Gastbeitrag für unsere Redaktion beschreibt der frühere Regierungssprecher Thomas Steg die schwierige Beziehung zwischen Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und US-Präsident George W. Bush.

 Thomas Steg war sowohl unter Schröder als auch unter Merkel Vize-Sprecher.

Thomas Steg war sowohl unter Schröder als auch unter Merkel Vize-Sprecher.

Foto: AP, AP

Zu den Zeiten von Sepp Herberger hielt sich im Fußball der Mythos, eine Mannschaft müsse eine verschworene Gemeinschaft aus elf Freunden sein. Heute, in der Ära der vielsprachigen und multiethnischen Profimannschaften, wissen wir, dass junge Spieler erfolgreich miteinander kicken können, auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen oder sich abseits des Fußballplatzes aus dem Wege gehen. Sie treten als Mannschaft an, die einen bestimmten Zweck verfolgt: nämlich zu siegen. Ähnlich verhält es sich in der Politik.

Es ist ein Irrglaube anzunehmen, die internationalen Staats- und Regierungschefs seien sich freundschaftlich zugetan, nur weil sie sich nach zwei Begegnungen bereits duzen oder bei Gipfeltreffen vertraut und kumpelhaft auf die Schulter klopfen. Nein, in der Politik ist es wie im wirklichen Leben: Zwischen manchen Politikern gibt es herzliches Einvernehmen, zwischen anderen herrschen Neid und Missgunst, einige finden sich sympathisch, bei anderen stimmen Chemie und Wellenlänge dagegen überhaupt nicht.

Eine enge persönliche Beziehung in der Politik aufzubauen, ist ohnehin eher die Ausnahme. Sie bestand zwischen Willy Brandt und seinen legendären sozialdemokratischen Kollegen Bruno Kreisky und Olof Palme. Sie entwickelte sich zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand oder zwischen dem Pfälzer und Boris Jelzin. Dagegen stand das Verhältnis von Gerhard Schröder und George W. Bush unter keinem guten Stern.

Streit um Irak-Krieg

In diesen Tagen sind die Memoiren des früheren amerikanischen Präsidenten erschienen. In seinen Erinnerungen erhebt Bush schwere Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Schröder. Bush zufolge hat Schröder bei einem Treffen im Januar 2002 die Unterstützung der Bundesregierung für den Irak-Krieg zugesagt, im Wahlkampf 2002 dann aber eine andere Haltung eingenommen, weswegen Bush sich durch Schröder getäuscht fühlte und ihm bis heute zürnt.

Schröders Erinnerungen an diese Begebenheit weichen davon erheblich ab und, so kommentierte er unmissverständlich: "Der frühere amerikanische Präsident Bush sagt nicht die Wahrheit." Der Streit zwischen Schröder und Bush liefert ein schönes Beispiel für die Interpretierbarkeit und Missverständlichkeit der Sprache der Diplomatie. Es wird verklausuliert geredet, es werden Bedingungen und Voraussetzungen formuliert, und zugleich sollen alle Aussagen klar und eindeutig erscheinen.

Vielleicht wollte George W. Bush etwas anderes gehört haben, als es Gerhard Schröder sagte. Jedenfalls hat der frühere Bundeskanzler beim Treffen im Weißen Haus im Januar 2002 nicht anders argumentiert als jetzt in seiner aktuellen Erklärung zu den Bush-Memoiren.

Von Anfang an fremd

Eine Unterstützung der Bundesregierung für einen Irak-Krieg hätte es nur geben können, wenn eine Verbindung des Regimes von Saddam Hussein zum internationalen Terrorismus nachweisbar gewesen wäre. Mehr noch: Schröder warnte mit Nachdruck davor, den Erfolg des internationalen Einsatzes in Afghanistan aufs Spiel zu setzen, wenn die Amerikaner den Irak angreifen, allein um einen Regime-Wechsel in Bagdad herbeizuführen.

Nach dem Amtsantritt von George W. Bush glaubten manche Beobachter, der "Rodeo"-Amerikaner aus Texas und der hemdsärmelige Aufsteiger aus Hannover könnten miteinander harmonieren. Weit gefehlt. Die beiden waren sich von Anfang an fremd, besonders die religiös-missionarische Letztbegründung von Politik, wie sie Bush gerade beim Irak praktizierte, ist Schröder stets suspekt gewesen.

Im Kern offenbart der Streit zwischen Bush und Schröder aber etwas anderes: In der Außenpolitik werden nationale Interessen vertreten. Für die Amerikaner selbstverständlich, für die Deutschen vielleicht etwas ungewohnt. In der Irak-Frage hat Schröder aber deutsche Interessen mit Vehemenz vertreten.

Er nahm ein gestörtes Verhältnis zu Bush in Kauf, weil er keine deutschen Soldaten im Irak wollte. Der Irak-Krieg ist für Bush zum Desaster und für den Westen zu einer moralischen Katastrophe geworden. Daran ändern die Memoiren von Bush rein gar nichts. Und Schröders Nein bleibt von historischer Bedeutung.

(RP)
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