Russlandtag in Mecklenburg-Vorpommern Gerhard Schröder bekennt sich als "Russland-Versteher"

An diesem Mittwoch treffen sich auf dem umstrittenen Russlandtag rund 400 Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Rostock-Warnemünde. Während an der russisch-ukranischen Grenze Menschen sterben, geht es hier ums Geschäft. Der Zuspruch: Enorm, die Veranstaltung ist ausgebucht. Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder soll auftreten. Schon im Vorfeld sorgt seine Rede für Aufregung.

Gerhard Schröder besucht den Russlandtag
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Foto: dpa, jbu lof

Bis zuletzt und aller scharfen Kritik zum Trotz hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern an den Plänen für die Ausrichtung des Russlandtags festgehalten. Schon seit Monaten ist das Treffen zwischen Vertretern aus Politik und Wirtschaft beider Länder umstritten. Um 9 Uhr geht es an diesem Mittwoch los. 400 teils hochrangige Gäste werden erwartet.

Zu diesen zählt auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder, heute Aufsichtsratschef bei der Gazprom-Tochter Nord Stream. Wegen seiner russlandfreundlichen Ansichten und fröhlicher Geburtstagsfeiern mit Wladimir Putin hat er scharfe Kritik einstecken müssen. Nach längerem Schweigen soll er nun auf dem Russlandtag sprechen.

Schon im Vorfeld gerieten am Mittwoch Auszüge aus seiner Rede in der Bild-Zeitung an die Öffentlichkeit. Darin macht sich Schröder stark für einen offenen Dialog mit Moskau und wettert gegen die vom Westen verhängten Sanktionen. Oberste Prämisse für den Alt-Kanzler: Niemals darf der Gesprächsfaden abreißen. "Nur, wer miteinander spricht und wer zuhört, der kann die Position des anderen verstehen, auch wenn er sie vielleicht nicht teilt."

Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobt er ausdrücklich, weil sie sich bis heute darum bemühen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Dass das Vertrauen gelitten hat, räumt er ein, doch führt Schröder dass auf einen längeren Entwicklungsprozess zurück, an dem auch der Westen beteiligt gewesen sei. Die Gewaltspirale in der Ukraine kann nach seiner Überzeugung immer "durch politisches Handeln durchbrochen werden." Das sei nun Aufgabe der Regierenden.

Auch auf den Vorwurf, ein "Russland-Versteher" zu sein, geht Schröder indirekt ein. Er stehe dazu, Russland, seine Menschen und seine politische Führung verstehen zu wollen. "Ich schäme mich dafür nicht. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf."

Westliche Regierungen hatten in den vergangenen Wochen allerdings wachsende Zweifel daran geäußert, dass Russlands Regierung noch mit diplomatischen Mitteln beizukommen sei. Allzuoft hatte Putin in Gesprächen eingelenkt, während gleichzeitig in der Ukraine die Krise eskalierte und immer mehr Hinweise auf eine direkte russische Beteiligung auftauchten. Die letzte Ansage des Westens: Putin muss zu spüren bekommen, wann Schluss ist. Wirtschaftsaanktionen sollen den Kreml nun die Grenzen aufzeigen.

Neben Schröder werden sich nun in Rostock-Warnemünde auch um 400 andere Gäste fragen, welcher Umgang mit Russland der richtige ist, dabei aber auch ihre Geschäfsinteressen im Auge behalten.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sieht sich mit dem Russland-Tag im Einklang mit dem Bund. "Es ist die klare Linie der Bundesregierung, dass sich Deutschland den Sanktionen anschließt, aber mit dem Ziel, über Gespräche zu einer konstruktiven Partnerschaft zurückzukehren", sagt der SPD-Politiker.
"Wirtschaftsgespräche auf regionaler Ebene könnten ein kleiner Beitrag sein, miteinander in Kontakt zu bleiben", meint Sellering. Politische Gespräche müsse es auf anderer Ebene geben. "Dafür ist der Russland-Tag nicht da", macht er deutlich.

Sellering will führende Regionalpolitiker aus dem Nordwesten Russlands und Vertreter russischer Konzerne wie Gazprom mit Unternehmern seines Landes zusammenbringen. Russland ist mit einem Volumen von über 600 Millionen Euro Mecklenburg-Vorpommerns viertwichtigster Handelspartner. Die krisengeschüttelten Werften sind inzwischen vollständig in russischer Hand und benötigen Aufträge auch aus Russland.

Doch nach Ansicht der Kritiker spielt die Veranstaltung in Rostock Russlands Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. "Es wäre absurd, dass Mecklenburg-Vorpommern die Wirtschaftskontakte intensivieren will, während die Europäische Union mit Sanktionen versucht, Putin Einhalt zu gebieten", sagte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, dem "Tagesspiegel". Russland wird vorgeworfen, die Separatisten in der Ostukraine massiv zu unterstützen. Der Westen reagierte mit massiven Handelsbeschränkungen und hofft nun zunächst auf eine dauerhafte Waffenruhe in der umkämpften Region, um den politischen Dialog wieder in Gang zu bringen.

Auch aus der Partei der Bundeskanzlerin gibt es Vorbehalte gegen den Russland-Tag. Angela Merkel selbst hielt sich zwar zurück. Doch aus dem Bundestag meldeten sich mehrere CDU-Abgeordnete kritisch zu Wort.
Eine "Jubelveranstaltung mit Russland" passe nicht ins Bild, sagte der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Karl-Georg Wellmann. Der Russland-Tag wird von russischen Unternehmen wie Ilim Timber, Nord Stream und Gazprom mitfinanziert.

(dpa)
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