Widerstand gegen „Geordnete Rückkehr“ Seehofers Abschiebegesetz steht auf der Kippe

Berlin · Im Rechtsausschuss des Bundesrates findet sich eine Mehrheit für den Stopp des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes. Die Länderkammer entscheidet Ende des Monats, ob es ein Vermittlungsverfahren geben soll.

 Bundesinnenminister Horst Seehofer im Mai auf der Regierungsbank im Bundestag.

Bundesinnenminister Horst Seehofer im Mai auf der Regierungsbank im Bundestag.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Muss die große Koalition beim Projekt effektivere Abschiebung alles wieder auf Anfang stellen? Zwar hatte die Groko vergangenen Freitag nach einer emotional geprägten Debatte die Migrationsgesetze im Bundestag im Eiltempo durchgedrückt. Doch der verbreitete Unmut bei SPD, Grünen und Linken könnte nun dazu führen, dass vor allem das von Innenminister Horst Seehofer nachdrücklich verfolgte Geordnete-Rückkehr-Gesetz im Bundesrat ausgebremst wird.

Im Rechtsausschuss der Länderkammer fand sich an diesem Mittwoch jedenfalls schon einmal eine Mehrheit, dem Plenum für seine Sitzung Ende Juni die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu empfehlen. Das Gesetz steht als „Punkt 9“ auf der Tagesordnung der Bundesratssitzung am 28. Juni.

Alle Gesetze, die die Rechte der Bundesländer berühren, kann der Bundestag nicht alleine beschließen. Er braucht dafür stets auch eine Mehrheit der Stimmen im Bundesrat.

Bei der Novelle des Gesetzes „zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ geht es um Abschiebehaft in regulären Haftanstalten, den längeren Verbleib von Flüchtlingen in Ankerzentren, Arbeitsverbote für Identitätstäuscher und Streichen von Sozialleistungen für Flüchtlinge, die schon in einem anderen Land Schutz erhalten haben. Alles greift in die Rechte der Länder ein.

Und so braucht Seehofer im Bundesrat 35 der 69 Stimmen. Die Grünen haben durch ihre Mitwirkung in neun Landesregierungen Zugriff auf 37, können also alles blockieren, wenn sie „ihre“ Stimmen zusammen halten.

Doch sie sind in vielen verschiedenen Koalitionskonstellationen, und jede Landesregierung bespricht individuell ihr jeweiliges Abstimmungsverhalten. „Es wird intensiv verhandelt“, verlautete es aus den Reihen der sogenannten G-Länder, also Ländern mit Grünen-Regierungsbeteiligung. Die Abstimmung im Rechtsausschuss ist deshalb nur ein erstes Indiz.

Ein anderes ist freilich die Stellungnahme des Bundesrates zu Seehofers Gesetzentwurf, die schon Mitte Mai auf 13 Seiten eine Fülle von Bedenken gegen das Gesetz aus Ländersicht aufführte. Hinweise, die auch von den CDU- CSU- und SPD-geführten Ländern geteilt werden.

„Ich kann die Bedenken der Bundesländer gut verstehen“, sagt SPD-Innenpolitiker Mahmut Özdemir. Im Bundestag hätten sich die Sozialdemokraten vertragstreu verhalten, und obwohl es in der Partei ein verbreitetes Grummeln gegen das Rückkehr-Gesetz gebe, könnten sie darauf verweisen, im Gegenzug Erleichterungen für die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt erreicht zu haben. Doch mit dem Gesetz komme es zu zusätzlichen Belastungen der Länder. Daher sei deren Widerstand nachvollziehbar.

Özdemir plädiert dafür, dass nicht mehr Länder und Kommunen die besonders kniffligen Problemfälle zu lösen haben, sondern der Bund mit seinem größeren Knowhow eigene Einrichtungen betreibt. Darin könnten die Verfahren für Flüchtlinge mit ungeklärten oder vorgetäuschten Identitäten sowie fehlenden Papieren stattfinden.

Die Proteste gegen schnellere Abschiebungen richten sich auch auf die laufende Konferenz der Innenminister in Kiel. Für die Grünen rief Migrationsexpertin Luise Amtsberg dazu auf, nicht länger den „Ausreisedruck in höchst unsichere Länder“ zu erhöhen. Die Vereinten Nationen hätten erst vor wenigen Tagen von einer weiteren Erosion der Sicherheitslage in Afghanistan berichtet. „Auch Kabul ist hochgefährlich“, unterstrich die Grünen-Politikerin.

Die von den regelmäßigen Sammelabschiebungen betroffenen Flüchtlinge hätten nach ihrer Ankunft am Flughafen in Kabul nicht einmal mehr übergangsweise Notunterkünfte zur Verfügung und seien schutzlos besonderer Gefährdung ausgesetzt, wenn sie keine Familie mehr vor Ort hätten.

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